#Sachbuch

Ressort: Feuilleton

Gunter Reus

// Rezension von Peter Stuiber

Kulturjournalisten sind arm. Denn zum einen werden ihre Produkte weit weniger beachtet als diejenigen ihrer Kollegen vom Sport oder vom Lokalressort. Zum anderen wird ihnen sogar von den wenigen Konsumenten oft vorgeworfen, selbstverliebt und kopflastig, mit bildungsbürgerlichem Dünkel und schwulstiger Feder ihr Thema noch unverdaulicher zu machen, als es ohnehin schon ist.

Gunter Reus, Professor am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung in Hannover, hat sich die Aufgabe gestellt, Schwächen des Feuilletons auszuloten und Vorschläge auszuarbeiten, wie man das alterwürdige Ressort runderneuert ins nächste Jahrtausend hinüberretten könne. Seine Urteil über die übliche Kulturberichterstattung in Printmedien, Radio und Fernsehen lautet: „Es fehlt alles in allem an Wagemut, Sinnlichkeit, Farbe und Humor. Es fehlt am Blick für das Große im Unscheinbaren und Unspektakulären. […] Es fehlt an thematischer Breite […] Nicht dagegen fehlt es am Katzengold der schmückenden Beiwörter […]“ (S. 14). Sehr deutlich erkennt man diese Tendenzen am Buchsektor. Die unzähligen Rezensionen unterscheiden sich laut Reus nur umfangmäßig voneinander, letztendlich würden die immer gleichen Autoren (der neue Grass, der neue Irving etc.) besprochen, deren Bücher in den großen Verlagen erscheinen (von den Titeln, die z. B. in der Zeit rezensiert werden, wird etwa die Hälfte bei Suhrkamp, Insel, Rowohlt, Piper, Hanser oder S.Fischer verlegt). Der thematischen Eintönigkeit entspreche diejenige in Form und Stil. Ähnliches gelte – mit gewissen Abweichungen – ebenfalls für alle anderen Bereiche (Theater, Musik, Film etc.).

Der Autor skizziert, wie man dem Konsumenten entgegenkommen könnte. Zunächst sollte man thematisch für Bewegung sorgen, z. B. durch stärkere Beachtung von Jugendkultur, Laienkunst oder alternativen und experimentellen Kunstformen. Statt den üblichen Bestsellern könne es ja durchaus auch einmal das neue Buch von Christine Nöstlinger sein. Oder ein Lyrik-Band aus einem Kleinverlag. „Fast auf allen ‚alten Feldern‘ des Kulturjournalismus, so zeigte sich, besteht die Gelegenheit, Ausdrucksformen des Leichten, des Populären oder des Alltäglichen zu berücksichtigen.“ (S. 208) Wichtig sei nur, dass Form und Stil der Darstellung variiert würden. Ein Interview statt einer Rezension, ein Porträt des Künstlers statt der Inhaltsangabe eines Buches, ein humorvoller Essay anstelle einer belehrenden Kritik: Dies sei – bei Wahrung der journalistischen Qualität – ein Garant dafür, dass der Kulturteil in Zukunft neue Leser, Hörer und Seher gewinnen könne.

Gunter Reus ist sich freilich durchaus bewusst, dass all seinen Vorschlägen in der Praxis des Redaktionsalltags enge Grenzen gesetzt sind. Es ist nun einmal einfacher bzw. schneller (und damit billiger), auf das PR-Service eines großen Verlages oder Theaters zurückzugreifen, als sich selbst auf Recherche zu begeben. Und thematische Experimentierfreudigkeit könnte sich ebenfalls als ein Schuss nach hinten erweisen. Man stelle sich vor, in einer Wochenendbeilage würde statt Philip Roth in Zukunft experimentelle Lyrik besprochen werden: Wieviele Leser wären da wohl bald beim Konkurrenzblatt?

Grundsätzlich sind die Forderungen des Medienexperten Reus natürlich als Anregung zu mehr Abwechslung und Flexibilität brauchbar. Das Buch wendet sich vor allem an angehende Journalisten, interessierten Laien kann es ebenfalls einen kurzweiligen Einblick in die journalistische Praxis bieten. Statements und Polemiken von Medienprofis runden den Band ab, umfangreiche Literaturhinweise erleichtern die weiterführende Beschäftigung mit dem Thema. Dass in der neuen überarbeiteten Auflage aktuelle Entwicklungen – Stichwort Internet – nicht berücksichtigt wurden, trübt die Freude an dem praktischen Handbuch.

Gunter Reus Ressort: Feuilleton. Kulturjournalismus für Massenmedien.
2., überarbeitete Auflage.
Konstanz: UVK Medien, 1999.
366 Seiten, broschiert.
ISBN 3-89669-245-3.

Rezension vom 08.10.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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