Stephan Füssel, Herausgeber des Bandes und Direktor des Instituts für Buchwissen schaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie Mitglied der Historischen Kommission des Börsenvereins, erinnert in seinem einleitenden Beitrag an die poli tischen Implikationen der Anfänge der Buchmesse am Standort Frankfurt, der von der amerikanische Besatzungsmacht als Alternative zu Leipzig vehement gefördert wurde. Die rasche Internationalisierung der Messe Anfang der 50er Jahre leistete nicht nur einen zentralen Beitrag zur Überwindung der politischen Isolation der Nachkriegszeit, sondern auch zur Reetablierung des Images einer „Kulturnation“. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatten nicht zuletzt Remigranten, die ihre im Exil erwor benen Kenntnisse englisch-amerikanischer Verlagsmethoden für Deutschland nutzbar machten, sowie jene Verleger-Emigranten, die, auch wenn sie nach der Vertreibung aus ihrem Heimatland nicht zurückkehren wollten, den Kontakt mit Deutschland zumin dest als Buchmessenbesucher bzw. -aussteller wieder aufnahmen. Der Mainzer Buchwissenschafter Ernst Fischer ana lysiert diese vielfältigen Verbindungen sehr fein und sorgfältig. George Weidenfeld, aus Österreich emigrierter Doyen der britischen Verlagslandschaft, schildert in seinem englischsprachigen Bericht diese Beziehung zur deutschen (Buch)Kultur aus seiner Sicht.
Umfangreich ist der Aufsatz von Britta Scheideler, der die Institution des Friedens prei ses des Deutschen Buchhandels analysiert. Ins Leben gerufen just in dem Augenblick, als mit der Übersiedlung der Messe von der Paulskirche ins Messegelände der geschäftsmäßige Aspekt der Buchmesse unverhohlen zu Tage trat, stellte die von Anfang an als nationale Feierstunde inszenierte Friedenspreisverleihung (1951 war mit Albert Schweitzer ein besonders neutraler, unumstrittener Preisträger gefunden) einen willkommenen Gegenpol zum kommerziellen Übergewicht des Messegeschehens dar. Die Nominie rung der Preisträger orientierte sich quer durch die Jahrzehnte am klassischen huma nistischen bildungsbürgerlichen Wertekanon und vor allem auch an der offiziellen Politik der Bundesregierung, nicht nur was das Verhalten gegenüber der DDR betrifft. Erst in den letzten Jahren sorgte etwa die Verleihung an den Kurden Yasar Kemal und vor allem die auf aktuelle politische Verantwortlichkeiten der Bundesregierung (Abschiebepraxis) eingehende Laudatio von Günter Grass verstärkt für Debatten und Diskussionen. Eklats wie sie 1995 die Verleihung an die umstrittene Islamistin Annemarie Schimmel oder im letzten Jahr die Dankesrede des Preisträgers Martin Walser auslösten, waren zuvor nur rund um das Jahr 1968 (Preisträger war der senegalesische Staatspräsident und Diktator Senghor) vorgekommen.
Mit den Studentenprotesten, die sich auch auf der Buchmesse vehement artikulierten, beschäftigen sich zwei informative Beiträge von Ute Schneider und Stephan Füssel. Leider eher kursorisch und wenig erhellend ist hingegen Heike Sabris Abriß zum Thema Bestsellermarketing, dem in einem Band über die Marktinstitution Buchmesse doch ein größerer Stellenwert zu wünschen gewesen wäre. Gerade aus dem Zwiespalt Kulturgut vs. Handelsware Buch entstand Ende der siebziger Jahre das Konzept von Themenschwerpunkten (1976: Lateinamerika, 1978: Kind und Buch), ab 1988 modifiziert zu Länderschwerpunkten. Den Beispielfällen Italien und Frankreich (Marion Rütten) sowie Österreich (Ernst Fischer) sind eigene Analysen gewidmet und Franz Jürgen Götz liefert eine Darstellung zum Motto der Buchmesse von 1993 „Frankfurt goes Electronic“, dem Jahr in dem erstmals branchenfremde Anbieter anwesend waren. Abgesehen von der ökonomischen Ernüchterung einige Jahre später wurde mit diesem Schritt die Palette von Problemen im Zusammenhang mit der rasanten technologischen Entwicklung des Off- wie Online Media-Bereichs zumindest offen anvisiert.
Den praktischen Abschluß des Bandes bildet eine von Stephan Füssel zusammen gestellte Chronik der Jahre 1949 bis 1998, der die Basisdaten der Entwicklung des Buchmessen-Events rasch und übersichtlich entnommen werden können.