Der erste Teil seiner Autobiografie, „The Writer-To-Be“, beginnt in Wien, wo Abish, in eine jüdische Mittelklassefamilie hineingeboren, seine ersten Lebensjahre verbringt. Als der Sechsjährige im Park spielt, hört er die Frage: „Bist du narrisch?“ Erst später erklären ihm seine Eltern, dass die Frage „Bist du arisch?“ gelautet habe.
Kurz nach Hitlers Einmarsch in Österreich beginnt Abishs Leben in der Vertreibung: Die Familie rettet sich nach Frankreich, und nur Wochen vor dem Einmarsch der Nazis gelingt ihr die Flucht ins japanisch besetzte Shanghai. Dem Terror der Nationalsozialisten entkommen, erlebt der Jugendliche in Shanghai eine andere Form der Gewalt. Abish beschreibt, wie er auf dem Weg zur Schule zwei chinesische Polizisten beobachtet, die mit einem toten Kind Fußball spielen. Die Familie überlebt die Bombadierung Shanghais, und als Maos Armee näher rückt, gelangt Abish von China in den neu gegründeten Staat Israel.
Die Schilderungen von Abishs Begegnungen mit älteren deutschsprachigen Emigranten in Israel – etwa mit dem 1912 in Frankfurt geborenen Schriftsteller Uri Felix Rosenheim – gehören zu den stärksten Passagen des Buchs. Abish beschreibt Rosenheim als „eternal European“ und porträtiert hier eine Generation von Vertriebenen, die sich den Bedingungen des Exils nur schwer anpassen konnte. Rosenheim schrieb sein Leben lang auf Deutsch und blieb als deutschsprachiger Autor in Israel erfolglos, während Abish spätestens mit How German Is It (1980), seinem preisgekrönten Roman über die Verstrickung von deutscher Gegenwart und Vergangenheit, zu einem namhaften amerikanischen Autor wurde. Mit dem Israel-Kapitel und dem Übergang in das Erwachsensein endet der erste Teil des Buchs.
Der zweite Teil, „The Writer“, erzählt von der Reise des Autors von How German Is It nach Deutschland – mit Abstechern nach Amsterdam, Italien und Wien.
Die beiden Teile sind klug in einander gesetzt. Die zeitliche Chronologie ist durchbrochen, und was auf den ersten Blick als traditionell erzählte Lebensgeschichte erschien, stellt sich mehr und mehr als ebenso raffinierter wie vielschichtiger Text heraus, in dem es nicht nur um die Entwicklung des „Writer-To-Be“ zum „Writer“, des aus Österreich Vertriebenen zum amerikanischen Schriftsteller geht, sondern auch um die Schwierigkeiten und Selbst-Täuschungen beim Erinnern und Darstellen von Erinnerung. Bereits das Motto der Autobiografie, ein Paul Zweig-Zitat, deutet diesen erinnerungskritischen Aspekt an:“It’s possible to think of language as the most versatile, and maybe the original, form of deception, a sort of fortunate fall; I lie and am lied to, but the result of my lie is mental leaps, memory, knowledge.“
Das gilt aber nicht nur für die persönliche, sondern auch für die kollektive Erinnerung: Abish berichtet im zweiten Teil des Buchs von seiner Reise in jenes Land, in dem sein bekanntester Roman spielt und ein Teil seiner Familie ermordet wurde. Er besichtigt Köln, Frankfurt, Würzburg, München, Dachau und Berlin, liest Tagebücher aus der NS-Zeit und verfolgt den Historikerstreit im deutschen Feuilleton. Stets ist er mit den sensiblen Reaktionen deutscher Leser auf seinen Roman konfrontiert und beobachtet vor allem eines: dass die Geschichte des Holocaust zu Gunsten der Geschichte des erfolgreichen Wiederaufbaus ausgeblendet wird. Abishs Blick für das Widersprüchliche zeigt sich in den Deutschland-Kapiteln am deutlichsten: „Yet, didn’t the presence of the Wall save everyone in Berlin from having to ponder the awkward period preceding it?“ Das Übergehen des Holocaust in Deutschland schreibt Abish schließlich der menschlichen Fähigkeit zur Selbst-Täuschung zu.
Nur an einem einzigen Punkt des Texts laufen die beiden Reisen, die des „Writer-To-Be“ und die des „Writer“, zusammen: bei der Wiederbegegnung mit dem Geburtsort Wien. Hier fließen Kindheitserinnerungen und gegenwärtige Wahrnehmung zusammen. Aus den zwei ineinander verwobenen Perspektiven ergibt sich eine bemerkenswerte Wien-Beschreibung (siehe Leseprobe), und es zeigt sich nicht nur hier, dass Double Vision das Selbstporträt eines Vertriebenen ist, das viel mehr enthält als die Schilderung des eigenen Lebens und Überlebens.