Christoph Schmitz-Scholemann wählt die gefällige Präsentation eines fiktiven Briefwechsels, der in launiger Form Pros und Contras aneinanderreiht. In der lockeren Sprunghaftigkeit der Gedanken, Thesen und auch markigen Sprüche – das Fernsehen „ist Krieg gegen die Literatur“ (S. 14) – liefert dieser Beitrag eine Fülle von Argumenten, Anregungen und trefflichen Formulierungen, die sich in ihrer saloppen Art eine Profundierung bewußt versagen: „[…] Vollständigkeit ist langweilig. Fügen wir hinzu, was uns gerade noch einfällt, scheuen wir auch nicht die eine oder andere Wiederholung, lernen wir von der Musik“ (S. 40).
Der Kasseler Germanist Egon Menz geht in seinen Überlegungen von der engen Verwandtschaft zwischen Literatur und Fernsehen aus, die er im Wunsch nach Handlung begründet sieht. Das Fernsehspiel oder die TV-Serie funktioniert nach den Grundschemata, die sich besonders simpel und zugleich variantenreich in der Trivialliteratur ausdifferenziert haben.
Die endlose Kette ewiggleicher Handlungsmuster in Literatur wie Fernsehen funktioniere so wunderbar, weil sie die Unterschichten anspreche, und zwar nicht die sozialen, sondern die verborgenen in jedem einzelnen. Für Menz ist daher Literatur nicht gleichzusetzen mit geschriebener Literatur, vielmehr sei das Fernsehen „der Hauptweg, wie Literatur heute da ist“ (S. 91).
Genau dieser These tritt die Filmemacherin und Schriftstellerin Sybil Wagener in ihrem Beitrag vehement entgegen. Sie wendet sich gegen den grassierenden Identitätsverlust der Literatur, die ihre Bindung an die Sprache verliert und „als Synonym gleich welcher Fiktion“ auftritt. In einem fundierten Überblick zum historischen Verhältnis von Film / Fernsehen und Literatur baut die Autorin ein stringentes Bild der Entwicklung auf. War es in der Pionierphase des Films wie des Fernsehens (etwa bis in die siebziger Jahre) vor allem die Literatur, die dem Film „half“, indem sie ihn mit Stoffen belieferte und das Image des jungen Mediums stärkte, verhalf der Film der Literatur zu neuen Formen und Darstellungsweisen. Hier enden für die Autorin die positiven Seiten des Wechselverhältnisses. Auch wenn in der Folge von Literaturverfilmungen kurzfristig die Verkaufszahlen des Buches steigen, sei das keine Kompensation für die generellen Schäden, die die Prägungen des Fernsehalltags der Literatur zufügen. Und Sendeleisten wie das Literarische Quartett stellen den Anspruch leserorientierter Aufklärung und Information weit hinter den Unterhaltungswert mediengerechter Inszenierung und funktionieren daher auch rein nach werbestrategischen Gesichtspunkten: die Namensnennung zählt für den verkaufstechnischen Erfolg, und keineswegs das inhaltliche Urteil.
Herbert Heckmann beschreibt in seinem Vorwort Sybil Wageners Beitrag etwas streng als Kritik an den „Unternehmungen des Fernsehens für die Literatur […] von einem literaturkonservativen Standpunkt“. Von den abgedruckten Texten ragt ihr Beitrag aber zweifellos durch seine sorgfältige und fundierte Analyse heraus.
Im Resumee sind die Positionen der drei Autoren zudem nicht allzu weit voneinander entfernt. Punktuelle Hilfe, was Verkaufszahlen betrifft, versus – je nach Standort der Betrachtung – Ausverkauf bzw. Subsumierung der Literatur unter die medienideologischen Gesetzmäßigkeiten des Fernsehens. In ihrer divergenten Herangehensweise liefern die drei Beiträge für den interessierten Literatur- und Fernsehkonsumenten einen gut lesbaren Überblick über Standpunkte und Diskussionen in der Debatte.