#Sachbuch

Wortverbunden - Zeitbedingt

Wolfgang Hackl, Kurt Krolop (Hg.)

// Rezension von Peter Stuiber

Zeitschriften sind seit dem 18. Jahrhundert – dem Jahrhundert der Aufklärung mit seiner großen Zeitschriften-Gründungswelle – wesentlicher Bestandteil des literarischen Lebens. Der vorliegende Band, herausgegeben von zwei prononcierten Zeitschriftenforschern (Wolfgang Hackl hat eine bemerkenswerte Untersuchung zur Zeitschrift „Wort in der Zeit“ vorgelegt, Kurt Krolop ist einer der besten Karl Kraus-Kenner der Gegenwart), gewährt einen interessanten Einblick in dieses weite Feld.

Das thematische Spektrum des Bandes reicht vom Bemühen, das Fach Zeitschriftenforschung definitorisch einzugrenzen, über Darstellungen einzelner Publikationsorgane und ihrer literaturhistorischen wie gesellschaftlichen Einflüsse bis hin zu Fragestellungen, wie man mittels Digitalisierung Zeitschriften formal und inhaltlich erschließen kann. Von den insgesamt 23 Beiträgen sei hier nur auf einige wenige verwiesen. Spannend etwa Doris Kuhles‘ Aufsatz über das „Journal des Luxus und der Moden“, das ab 1786 von Friedrich Justin Bertuch und Georg Melchior Kraus herausgegeben wurde und sich zum europaweiten Bestseller der Goethezeit entwickelte. „Sicher findet es Beyfall, denn die Ausführung ist schön und der Plan nach dem Bedürfniß unserer Zeit“, meinte der Verleger Göschen über das Journal, das durch seine thematische Breite eine große Leserschaft ansprach (S. 29). Unter Mode verstand die Redaktion nämlich nicht nur Bekleidung oder Schmuck, sondern auch häusliche Einrichtungsgegenstände, Bäder und Kurorte, Theater, Musik, Reisen und Bildende Kunst. Bemerkenswert auch die Entwicklung des Blattes: Während man mit einem hohen Anteil an klassischen Modebeiträgen startete, wandelte sich das Blatt zu einer Literaturzeitschrift mit Modebeilage, um gegen Ende seines Erscheinens (1827) stärker regionale Meldungen und Kurzberichte in den Vordergrund zu stellen. Die Bedeutung des Journals beschreibt Doris Kuhles wie folgt: „Nicht allein das Gedankengut der Aufklärung, sondern bewegte Epochen der europäischen Geschichte von der Französischen Revolution bis zu den Befreiungskriegen und andere bedeutende Ereignisse finden eine Widerspiegelung.“ (S.32)

Nicht weniger interessant ist der Beitrag über zahlreiche Zeitschriftengründungen in Österreich um 1880. Untersucht werden darin zum Beispiel die zahlreichen Familienblätter, die gegen Ende des Jahrhunderts der späteren Wiener Moderne den Weg ebneten, indem sie die Literaten einem größeren Publikum bekannt machten – und ganz nebenbei für ein halbwegs erkleckliches Einkommen der Schriftsteller sorgte. Auch auf die Gründungsgeschichte und die Bedeutung der „Modernen Dichtung“, die als „erste Zeitschrift der Moderne in Österreich“ (S. 79) gilt, wird hier eingegangen.

Einige Beiträge widmen sich natürlich auch der wohl bekanntesten Zeitschrift der deutschen Literaturgeschichte: der „Fackel“ von Karl Kraus. Helmut Arntzen stellt in seiner Skizze die Frage „War ‚Die Fackel‘ eine Zeitschrift?“ (als Leser mag man sich fragen: Warum diese Frage?) und kommt schließlich zu dem – nicht gerade umwerfenden – Schluß, sie sei eine „(kommentierte) Dokumentation der Zeit als Schrift gegen sie“ (S.134), eine „Gegen-Schrift“ gewesen. Wer die Kraus-Publikation noch nicht kennt, erhält von Arntzen immerhin einen Crash-Kurs in Sachen „Fackel“ geliefert. Weitere Kraus-Themen: Gilbert J. Carr berichtet über das Zeitungs- und Zeitumfeld der Jahrhundertwende (und somit der ersten Jahre der „Fackel“), Kurt Krolop vertieft sich in die Beziehung von Kraus zu Max Brod und die Prager Herder-Blätter und Gertrud Maria Rösch wiederum untersucht das Thema Kriegssatire in der „Fackel“ und der „Aktion“.

Fazit: Ein breitgefächertes Spektrum an Beiträgen zu einem Thema, das wohl eines der spannendsten im Rahmen der Literaturwissenschaft ist und nicht zufälligerweise in jüngster Zeit besondere Aufmerksamkeit genießt.

Wolfgang Hackl, Kurt Krolop (Hg.) Wortverbunden – Zeitbedingt
Perspektiven der Zeitschriftenforschung.
Innsbruck: Studien Verlag, 2001.
344 S.; brosch.
ISBN 3-7065-1606-3.

Rezension vom 10.07.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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