Das Konzept der Reihe liegt vom Anspruch her unter dem Niveau der eingeführten und wissenschaftlich anspruchsvollen klassischen Rowohlt-Monographien und richtet sich auf eine mit bunten Illustrationen und trendigem Layout aufgelockerte Darstellung für den interessierten Laienleser. Auf Anmerkungen und Nachweise wird zugunsten der leichteren Lesbarkeit verzichtet, die angefügte Auswahlbiographie ist sehr kurz und in ihrer Zusammenstellung nicht ganz schlüssig.
Insgesamt ist Detlev Arens aber eine durchaus lesenswerte und auch sorgfältige Biographie gelungen, die mit leichter Hand auch gegen gängige Kafka-Klischees anschreibt, indem sie biographische Details aus gewohnten Interpretationszusammenhängen herausnimmt und in die reale historische Lebenswelt Kafkas einordnet. Etwa die Wahl des ungeliebten Jura-Studiums, die keineswegs (nur) aus einem Diktat des Vaters zu erklären ist, sondern auch aus den beschränkten Berufsmöglichkeiten für Juden in Prag um 1900. Anschaulich stellt der Band auch Kafkas zumindest zu Beginn durchaus ambitioniertes Verhältnis zu seiner Arbeit in der Arbeiterunfallversicherung dar. Er zeichnet Kafka als Sozialrechtler von Format, mit großem Interesse für die Lebenswelt der Arbeiter. Auch was den Schreibprozeß betrifft rückt Arens einiges zurecht. Am Beispiel des „Amerika“-Romans zeigt er Kafkas sehr konkretes Herangehen an literarische Projekte, mit detaillierten Recherchearbeiten, für die er die Übersee-Erfahrungen von Verwandten – drei seiner Vetter hatten in den Vereinigten Staaten ihre Karrieren gemacht – ebenso nutzte wie Fotomaterial aus Firmenprospekten amerikanischer Versandhäuser.
Zu Kafkas Werken liefert Ahrens jeweils Kurzzusammenfassungen der Bandbreite von Deutungs- und Interpretatiosansätzen, deren Plausibilität er „dahingestellt“ läßt. Für die „Flutwelle der Äußerungen“ und Interpretationen hat Arens stets ein treffliches Bonmot parat, eine detailliertere Sprachanalyse dieser pejorativen Passagen wäre hier durchaus interessant.
Neue Dimensionen eröffnet schließlich das formale Reihenkonzept, das im Layout deutlich die Spuren der jungen Internet-Erfahrung trägt. Was am Bildschirm als Link aufscheint, findet sich hier unter dem Strich wieder, nicht als Fußnote, auf die der Band durchgängig verzichtet, sondern als locker eingestreutes Zitat oder ergänzende Zusatzinformation zu Personen und Ereignissen, die im Text darüber vorgekommen sind. Der klassische Strich, unter dem in der Pressegeschichte das Feuilleton groß geworden ist, erfährt solcherart ein unerwartetes Revival.
Da der Link-Struktur im linearen Kontext des Druckbildes immer etwas Verwirrendes anhaftet, versucht der Verlag mit einem Farbkonzept der Leserorientierung entgegenzukommen: auf neutralem Weiß der Seite präsentieren sich unterm Strich ergänzende Informatinen des Autors, grau unterlegt sind Zitate von Zeitgenossen und in Spektralfarben, die den Kapiteln folgend wechseln, prangen die Zitate von Kafka selbst. Insgesamt kann das nicht wirklich überzeugen, genauso wenig wie die im Klappentext besonders betonte Tatsache, daß der Band mit zahlreichen Bildern im Vierfarbendruck ausgestattet ist. Wie in monographischen Arbeiten aktuell immer beliebter, dienen diese Abbildungen zunehmend nur mehr illustrativen Zwecken. Gerade bei gut dokumentierten Autoren, bei denen kaum mehr neues Fotomaterial zu finden ist, werden zunehmend rein dem „Zeitkolorit“ verpflichtete Abbildungen wie „Der Obstmarkt in Prag, etwa 1910“ so eingesetzt, als seien daraus neue Erkenntnisse für Leben und Werk des Autors abzuleiten. Problematisch sind auch die vielen Kaderfotos aus diversen Kafkaverfilmungen, die der Band selbst inhaltlich nicht anspricht und die eigentlich falsche optische Fährten legen.