#Sachbuch

Jenseits von Hollywood

Christiane Altenburg, Ingo Fließ (Hg.)

// Rezension von Sabine Perthold

„Drehbuch-Schreiben ist Filmemachen auf Papier,
Regie-Arbeit, Realisations-Arbeit auf Manuskript-Papier.“

(Frank Daniel)

 

Am Anfang gibt es nichts. Nur eine Idee, durch deren schriftliche Festlegung erst alle Anderen anfangen können zu arbeiten. Dennoch oder gerade deshalb existiert keine andere literarische Gattung, bei der so ausführlich über Handwerk, Technik und Methode geredet und geschrieben wird wie beim Drehbuch. Gerade so, als sei Drehbuchschreiben keine Sache des Talents, der Begabung, Geschichten erzählen zu können, der Disziplin, den zunächst unüberschaubaren Wust von Einzelszenen in eine ordnende Dramaturgie überzuführen, der Überwindung der Einsamkeit in der Schreibstube etc., sondern einzig und allein eine Sache des richtigen Rezeptes.

Wie bereits der Titel programmatisch verrät, bietet das Buch Jenseits von Hollywood einen Einblick in das Denken einer Reihe von wichtigen Drehbuchautoren deutscher Sprache. Nicht in Form einer neuen, weltumfassenden Theorie, wie sie uns gerne die amerikanischen Script-Doctors „verklickern“ wollen, sondern indem die Drehbuchautoren, die erzählerischen Urheber eines Films, über ihre Kunst gepaart mit einem Schuss Handwerk, einer Prise Glück und unendlicher Langmut schreiben. Gehen die US-Ratgeber in bestem amerikanischem Optimismus davon aus, dass Schreiben, und speziell das Schreiben für den Film, lehr- und lernbar ist, so verfassen die deutschen Kollegen diesseits des Ozeans unterschiedlichste Momentaufnahmen, so divergierend wie die Szene in unseren Breitengraden eben ist.

„Der Filmautor ist das Medium des kollektiven Wachtraums, den die Menschen brauchen, um sich zu finden oder zu verlieren“, schreibt der Berliner Drehbuchautor und Erfinder zahlreicher Fernsehserien (u.a. Ein Bayer auf Rügen) Felix Huby in seinem Beitrag „Drehbuch oder Knetmasse“.
„Wir operieren als Drehbuchautoren mit den Prinzipien Angst und Hoffnung. Die Grundlage der Involvierung heißt: Antizipation! Wir werfen den Zuschauern nach und nach kleine Brocken hin“, schreibt der Drehbuchautor und Regisseur Alfred Behrens in seinem Beitrag Search for the Hero Inside Yourself, „und bringen sie so dazu, über den weiteren Verlauf nachzugrübeln.“
In den sechs Buch-Abschnitten kehrt ein Thema leitmotivisch wieder: die heikle und konfliktträchtige Position des Drehbuchautors innerhalb des Produktionsprozesses.

Jenseits von Hollywood enthält auch ein echtes Drehbuch. Das Blaue Zimmer von Jochen Brunow erzählt – verteilt über die gesamte Strecke des Buches – von den Möglichkeiten, wie in diesem neuen Jahrtausend Geschichten mit Bildern erzählt werden können.
Im vorliegenden Sammelband wird deutlich, wie unabdingbar die Qualität des Drehbuches für einen Filmerfolg ist, und welche Raffinesse ein Autor aufbringen muss, um seine Geschichte zu verkaufen und dann in der Verfilmung zu „retten“, sprich seine Geschichte so punktgenau zu formulieren, dass sie nicht „vergewaltigt“ werden kann. Durch die Vielzahl der Blickwinkel entsteht mit dieser anregenden Sammlung von Essays und Interviews eine ästhetische Theorie des deutschen Gegenwartfilms.

Mit Beiträgen von: Eleni Ampelakiotou, Sascha Arango, Alfred Behrens, Rudi Bergmann, Jochen Brunow, Thomas Brussig, Dominik Graf, Richard Hey, Felix Huby, Wolfgang Kirchner, Thomas Knauf, Peter Lilienthal, Detlef Michel, Holly-Jane Rahlens, Richard Reitinger, Sebastian Schipper, Susanne Schneider, Jan Schütte, Rolf Silber, Peter Steinbach, Ruth Thoma und Wolfram Witt.

Christiane Altenburg, Ingo Fließ (Hg.) Jenseits von Hollywood
Drehbuchautoren über ihre Kunst und ihr Handwerk.
Frankfurt am Main: Verlag der Autoren, 2000.
224 S., geb.
ISBN 3-88661-225-2.

Rezension vom 26.11.2001

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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