In eine Verlagsszene, die sie zu Recht für die neben Wien ausgeprägteste in Österreich hält und die vielleicht sogar die vielfältigere von beiden ist, zieht man in Betracht, daß es ein ausschließlich auf Wiener Themen bezogener Verlag selbst dann schwer hätte zu überleben, würde er sich ausschließlich dem hochkulturellen und touristischen Wien widmen, was aber für auf ihre Region bezogene oberösterreichische Verlage wie die „Edition Geschichte der Heimat“ keinerlei Problem darstellt.
So wie in etlichen anderen österreichischen Bundesländern baut das oberösterreichische Verlagswesen auf einer – seit den 80er Jahren bestehenden – „klassischen“ Dreiteilung auf: auf der Verlagstätigkeit von Kulturämtern im Bereich periodischer Publikationen, auf dem früher interessenspolitisch und inzwischen kommerziell ausgerichteten Verlagsbereich und auf dem der in den letzten 20 Jahren neu gegründeten „Literatur- und Kulturverlage“. Diesem Verlagstypus gilt das zentrale Interesse Traglers. Ein Interesse, das sich schon deshalb teilen läßt, weil die von Johanna Tragler dargestellten Verlagsprofile, deren Ausgangssituation und Umfeld auch auf viele der anderen neuen Verlage in Österreich zutreffen. Was sie von herkömmlichen Verlagen unterscheidet, findet sich in Traglers Literatur- und Kulturverlage in Oberösterreich – bis hin zu den von den Verlegern vertretenen Literaturbegriffen – penibel dargestellt. Was sie mit herkömmlichen Verlagen gemeinsam haben, ebenso. Lapidar zusammengefaßt, fehlen den einen wie den anderen die nötigen Mittel, die ihnen Aussichten auf ertragreichere Markt- oder Publikumserfolge bescheren könnten.
Zwar nicht gesondert thematisiert, lassen sich dennoch deutliche Unterschiede zwischen der Verlagssituation in Oberösterreich und der in anderen Bundesländern erkennen, wie im entgegen der allgemeinen Entwicklung fortgesetzten publizistischen Eigenengagement der oberösterreichischen Landeskulturverwaltung oder in der den gesamten älteren Verlagsbestand betreffenden (Mit-)Eigentümerschaft deutscher Verlage.
Der Platz, der durch die Kommerzialisierung der älteren Verlage freigeworden ist, wird von den neuen Verlagen in Oberösterreich nicht nur ausgefüllt, sondern geht über den früheren Stand des Verlegbaren weit hinaus. Ein neues regionales Selbstverständnis hat die Brauchtumsliteratur abgelöst, das frühere Stadt-Land-Gefälle ist durch ein publizistisches Spezialistentum aufgehoben und zum Teil in sein Gegenteil verkehrt worden. Wobei in manchen Bereichen, und vor allem im Bereich der experimentellen Literatur mit der bereits in den 70er Jahren aktiven Linzer „edition neue texte“ von Heimrad Bäcker, die heute vom Grazer Droschl Verlag weiterbetreut wird, sogar auf „Traditionen“ verwiesen werden kann, die anderswo zehn bis zwanzig Jahre später aufgegriffen und fortgesetzt worden sind. Diese exklusive oberösterreichische Verlagsgeschichte mit ihren frühen Selbstorganisationsversuchen wäre eigentlich die logischere Heranführung an das Thema gewesen als die weitläufige Annäherung über den Kulturbegriff, was andererseits aber wiederum genauso vertretbar ist, wenn Oberösterreich eine ähnliche Rolle bei der Entwicklung der österreichischen Kulturiniativen und eines damit verbundenen neuen Kulturbegriffs zukommt.
Sollte jedenfalls irgendwann eine oberösterreichische Verlagsgeschichte geschrieben werden, so steht mit der von Johanna Tragler vorgelegten Ist-Zustandsbeschreibung der Literatur- und Kulturverlage in Oberösterreich eine ausgezeichnete Quelle zur Verfügung. Für diejenigen, die sich bisher weniger mit dem Kulturbegriff beschäftigt haben, eine, die von den vorherrschenden und modifizierten Kulturbegriffen bis hin zu ihren konkreten verlegerischen Auswirkungen und Gegenreaktionen reicht; für diejenigen, die Kulturbegriffsdebatten schon über haben, eine, die instruktiv und ausführlich über die Verlagsentwicklung und die Literatur- und Kulturverlage in Oberösterreich in den 80er und 90er Jahren Auskunft gibt.