Der Reclam-Band, der in der bewährten Reihe „Erläuterungen und Dokumente“ erschien, ist umfangreicher und informativer und dabei um wohlfeile 51 Schillinge zu haben. Der Suhrkamp-Band in der neugeschaffenen „Basis-Bibliothek“ bietet zwar einen reduzierten Materialienteil, dafür bekommt der Leser hier den vollständigen Romantext mitgeliefert, das alles zusammen macht an der Kassa auch nicht mehr als 93 Schilling aus.
Für den Einsatz im Schulunterricht sind beide Bände gleichermaßen geeignet, ja es fällt fast ein bißchen schwer in den jeweiligen Kommentarteilen außer dem quantitativen noch einen anderen Unterschied zu sehen. Die Autorin des Suhrkamp-Bandes, Elisabeth Tworek, legt einen etwas stärkeren Akzent auf die lokalgeschichtlichen Bezüge des Romans. Für dieses Thema, die Verbindung Horváths mit seiner bayrischen Elternstadt Murnau, gilt Frau Tworek als anerkannte Instanz. Auch im Fall von Jugend ohne Gott sprießt unerschöpflich Material aus den regionalen Chroniken: So weiß Frau Tworek von einem tatsächlichen Zeltlager der Hitlerjugend in der Gegend von Murnau ebenso zu berichten wie von realen Personen, die für Horváth zum Ausgangspunkt seiner Figuren geworden sind; ein wirklicher Pfarrer namens Karl Bögner beispielsweise, der für den Romangeistlichen Pate gestanden haben soll und dessen Lebensweg dann auch luzide nachgezeichnet wird.
Der Reclam-Band von Norbert Keufgens holt etwas weiter aus. Dokumente zur Werk- und Wirkungsgeschichte des Romans werden ausführlich zitiert, gegenüber dem Suhrkamp-Produkt dominiert der Charakter eines Arbeitsbuches, in dem man nicht alles interpretativ vorgekaut bekommt und die Ambivalenzen des Textes nicht von vornherein auf Null herunterdidaktisiert wurden. Der Leser wird bei Keufgens zu mehr Eigenständigkeit aufgerufen, die angeführten Dokumente wollen ja eigenständig bewertet und gewichtet sein.
Dabei hält sich Keufgens mit eigenen Bewertungen zurück, was grundsätzlich richtig, nur überall dort schade ist, wo in den zitierten Quellen gegen Horváth und das Buch etwas kritischere Töne angeschlagen werden. Diese Töne hätte man allein schon deshalb stärken müssen, weil sie sich in der Forschung zum Spätwerk Horváths zusehends stärker bemerkbar machen. Als Regression wird dem Autor heute vielfach angelastet, was früher unter dem hoffnungsvollen Titel „Rückkehr zur Religiosität“ lief. Auch den (letztlich vergeblichen) Versuch, nach 1933 durch direkte Mitwirkung von der nationalsozialistischen Berliner Filmindustrie zu profitieren, will man dem Autor und seinem Werk heute nicht mehr unbesehen durchgehen lassen. Das ändert nichts an der Qualität der Horváthschen Texte, macht aber endlich mit den schamlosen Beschönigungen wohlwollender Freunde Schluß, die (wie der Fall Theodor Csokors anschaulich zeigt) bis hin zur offenen Lüge gingen, um die Person Horváths nach 1945 vor den dunklen Flecken seiner Vergangenheit zu schützen.
Das Kapitel „Horváth für die Schule“ ist auch deshalb so verdrießlich, weil in ihm nach wie vor ein sakrosanktes Bild des Autors gezeichnet und eine auf die gute Moral reduzierte Lesart seiner Werke vermittelt wird. Die Leistung der beiden Materialienbände ist es, solide im Feld dieser Vorgaben geblieben zu sein. Ihr Versäumnis aber besteht darin, daran nichts geändert zu haben, obwohl sich mit Jugend ohne Gott eine hervorragende (und nunmehr doppelt verpaßte) Gelegenheit geboten hat.