Die klassische Form des Sonetts trifft bei Priessnitz auf genuin modernistische Inhalte: „vögel lähmen / die dumpfe schreibhand, ihrer züge wellen / in lineare phasen vorzuquellen; / und übersät von efferenzsystemen / muss sie die regelung auf dumpfer stellen“.
Nichts quillt in heldin linear hervor und kaum etwas wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Mehr als 150 Seiten hat Czernin den vierzehn Priessnitzzeilen gewidmet; eine Vervielfachung der Textmenge durch Interpretation, die auch anderswo zu beobachten ist und uns gerade am gegenständlichen Beispiel nicht zu beunruhigen braucht. Was bei Czernin/Priessnitz in so geglückter Weise passiert, ereignet sich ohnehin äußerst selten. Nur die wenigsten Texte erweisen sich hinsichtlich einer genauen und präzisen Interpretation als tragfähig. Schlüssig und konzis weist Czernin nach, daß heldin diesem auserwählten kulturgeschichtlichen Korpus angehört.
Nicht den Sinn und die Bedeutung des Gedichtes schreibt die Interpretation hier fest, sondern die Sinne und das Bedeutungspotential.
Kaum überzogen scheint auch die Behauptung Czernins zu sein, daß in heldin die ganze literarische Tradition, wenn nicht überhaupt die ganze (zumindest abendländische) Kultur steckt. Auch deshalb hat der Autor die Abhandlung über dieses eine Gedicht auf sich genommen: Weil sich von hier aus für die Einschätzung der Restkultur und damit auch für all jene Bücher, die heute auf ein so viel größeres Publikumsinteresse stoßen, ein fester Standort gewinnen läßt.
Czernins Analyse schärft das Sensorium für die Qualitäten und die Mängel von Literatur, sie zeigt, welchen Problemfeldern Reinhard Priessnitz in seinem Schreiben begegnet ist, und sie zeigt nicht zuletzt auch, in welch sinnlich-ästhetischer Form sich dies alles in heldin zur Freude aller Leser ereignet hat.