#Essay
#Debüt

Über das Helle.
Radikale Zuversicht in herausfordernden Zeiten

Stefanie Jaksch

// Rezension von Anna-Elisabeth Mayer

Lichtbündel

Durch die Dunkelheit ans Licht in sechs Kapiteln: Es gibt wahrscheinlich keinen geeigneteren Zeitpunkt, sich Stefanie Jaksch‘ Essay Über das Helle. Radikale Zuversicht in herausfordernden Zeiten zu Gemüte zu führen als jetzt.

Die in Erlangen geborene Autorin Stefanie Jaksch kann man als umtriebig beschreiben: nach Tätigkeiten als Dramaturgin, Buchhändlerin und Verlagsleiterin für Kremayr & Scheriau hat sie vor Kurzem das Büro für Literatur- und Kulturarbeit „In Worten“ gegründet; zudem schreibt sie regelmäßig für das online-Magazin des Literaturhaus Wien. Jetzt hat sie auch ihren ersten Essay vorgelegt.

Beim Aufschlagen des Buches wird schon graphisch deutlich: Dem Hellen nähert man sich in Stefanie Jaksch’ Essay über das Dunkle. Das 1. Kapitel beginnt dementsprechend mit bohrenden Gedanken der Autorin um drei Uhr nachts. Es ist eine charmante Idee, dass man mit der Schreibenden gemeinsam fünf Stunden verbringt, um schließlich um acht Uhr beim Hellen anzulangen – und damit den Tag zu beginnen. Auch wenn es als gewisse Ironie erscheinen mag, dass man, um zum Hellen zu gelangen, zuerst durch die Dunkelheit muss; und vielleicht liegt es an der Beschaffenheit der Dunkelheit, dass sie einem schier unendlich vorkommt. Allerdings gelingt es ihr trotzdem nicht, die Strahlkraft des Hellen am Ende des Buches zu verringern.

Aber was genau ist das Helle? Was das Dunkle? Jaksch untersucht die unterschiedlichen Aspekte dieser Fragen. Sie reichen von Überlegungen zur Wahrnehmung des Lichts, die an ein Gegenüber gebunden ist, bis hin zu einer Politik des Zuhörens auf der hellen Seite, und betreffen Einsamkeit und Furcht, aber auch instrumentalisierte Ausgrenzung auf der dunklen. Die sehr verschiedenen mit dem Hellen und Dunklen – einmal loser, einmal direkter – verbundenen Assoziationen, laden zum Nachdenken ein.
Einige der Gedanken sind nicht deswegen reizvoll, weil sie besonders überraschen, sondern weil sie in Klarheit wiederholt und deutlich vor Augen geführt werden. Fast eine therapeutische Wirkung entfaltet daher das Buch, was in dunklen Zeiten von unschätzbarem Wert ist. Der Stimme der Autorin folgt man gerne, da sie immer selbstkritisch, tastend und einfühlend ist, aber nicht minder analytisch.

Gerade, indem Jaksch verschiedene Blickpunkte einnimmt, zeigt sie, wie sowohl das Helle als auch das Dunkle vom eigenen Standpunkt abhängig sind. An der Farbe Grau macht die Autorin anschaulich, wie das Helle und das Dunkle ineinander übergehen. Interessanterweise sind es oft diese Zwischenbereiche, die die Besonderheit von etwas beleuchten: „Auch wenn wir Grau kaum oder manchmal sogar negativ wahrnehmen, hat es doch einen ganz eigenen Wert, so wie viele vermeintlich unscheinbare Dinge, die uns als ein Dazwischen scheinen, aber doch wertvoll sind. Wie eine Pause in einem Musikstück – denn eine Pause ist niemals nichts, sie ist ein ganz bewusst gesetzter Leerraum, in dem etwas nachklingen, in dem Luft geholt werden darf, manchmal ganz kurz, manchmal länger.“ (S. 189) Insofern ist bereits Grau ein Ausgangspunkt für die Zuversicht – denn von Dunklerem zu wissen, lässt das Hellere erst erkennen.

Jaksch’ Essay zeichnet eine mäandernde Schreib- und Denkbewegung aus. Gleichzeitig scheut die Autorin nicht vor deutlichen politischen Worten zurück. So heißt es im 6-Uhr-Früh-Kapitel, in dem es um das Fürchten geht: „Mich versetzt die Aussicht, bald in einem Land zu leben, in dem der Wahlsieg für eine offen rechtsradikale Partei zum Greifen nah ist, die Frauen zurück an den Herd wünscht (und Schlimmeres), die den Klimawandel nicht als eine der größten Herausforderungen begreift (oder ihn sogar leugnet) und Menschen anderer Herkunft strategisch abwerten und zum Feindbild erklären, tatsächlich in einen Zustand der Prä-Angst.“ (S. 121)

Das Jaksche Lotsen der Leser:innen Richtung Helles ist jetzt, nachdem bei der österreichischen Nationalratswahl vom 29. September 2024 die FPÖ erstmals stimmenstärkste Partei nach 1945 geworden ist, tatsächlich mehr als nur Lektüre, es ist ein Aufruf: schließen wir uns dagegen zusammen – zu einem Lichtbündel.


Anna-Elisabeth Mayer
, geb. 1977 in Salzburg, lebt heute als Schriftstellerin in Wien. Studium der Philosophie und Kunstgeschichte. Für ihr Debüt Fliegengewicht (Schöffling Verlag) wurde sie mit dem Literaturpreis Alpha 2011 ausgezeichnet. 2014 folgte der Roman Die Hunde von Montpellier (Schöffling). Im darauffolgenden Jahr erhielt sie den Reinhard-Priessnitz-Preis. Ebenfalls bei Schöffling veröffentlichte sie 2017 den Roman Am Himmel und im Frühjahr 2023 ihren vierten Roman Kreidezeit, der sich mit der fortschreitenden Digitalisierung auseinandersetzt.

Stefanie Jaksch Das Helle. Radikal Zuversicht in herausfordernden Zeiten
Essay.
Innsbruck: Haymon Verlag, 2024.
216 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-7099-8237-2.

Verlagsseite mit Informationen zu Buch und Autorin sowie einer Leseprobe

Rezension vom 30.09.2024

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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