#Roman

Duffeks Hände

Constantin Göttfert

// Rezension von Sabine Dengscherz

Erntearbeit ist hart. Es braucht Ausdauer und geschickte starke Hände. Duffek hat beides, dafür sonst aber nichts. Die Welt da draußen und die Welt im Kopf passen nicht ganz zusammen, und die Sprache weigert sich zu vermitteln: Der Arbeiter bleibt stumm. Constantin Göttfert wirft in Duffeks Hände erbarmungslose Schlaglichter auf Ausbeutung und Verzweiflung und montiert sie zu einem metaphernreichen und symbolstarken kapitalismuskritischen Roman.

Seit der Milchpreis eingebrochen ist, baut der Bauer Hebenstreit auf seinen Feldern im Marchfeld Gemüse an, in Bio-Kultur und Fruchtwechselwirtschaft, damit der Boden nicht ausgelaugt wird. Es gibt ja nur einen Boden. Menschen hingegen, die das Gemüse (derzeit Zucchini) ernten können, gibt es viele. Und es kommen immer wieder neue nach, Männer, Frauen, Jugendliche aus irgendwelchen anderen Ländern, in denen man irgendwelche Sprachen spricht, Deutsch jedenfalls nicht, verständigen kann man sich nur recht und schlecht. 

Zum Plaudern sind die Leute aber ohnehin nicht gekommen. Sie fahren mit dem „Bomber“ – wie der „Scheffe“ (also der Bauer) das Gerät liebevoll nennt – aufs Feld hinaus, liegen auf seinen Flügeln am Bauch, die Hände sind frei, ganz knapp über der Erde, damit sie mit ihnen arbeiten können, unaufhörlich und schnell, die Kisten müssen voll werden, das Plansoll erfüllt. Dann gibt es „Gute“: gutes Geld. Ums Geld dreht sich alles, und leicht haben es alle miteinander nicht.

Vom Himmel dröhnen Flugzeuge im An- und Abflug, der Bauer Hebenstreit ist dauernd am Rechnen, seine Frau Magda ist lieber mit einem verschuldeten Bauern verheiratet als Alleinerzieherin und hat diverse Nebenjobs. Die Tochter Lydia sehnt sich nach ihrem leiblichen Vater, der im Gemeinderat sitzt, während sie beim Bauern in der Selchkammer schläft. Die hat sie aber immerhin für sich allein, während die Arbeiter:innen in den Containern in Gruppen hausen. 

Von den Containern ist es nicht weit aufs Feld. Das Zuhause aber, das liegt beinahe auf einem anderen Stern. Dort wird man es einmal besser haben, das Haus fertigbauen, davon kann träumen, wer in der Nacht mit schmerzendem Rücken in einem Stockbett liegt. Mehr schaffen, heißt mehr verdienen, geschickte Hände sind das, was man braucht. Hände wie die von Duffek, aber ohne den restlichen Duffek dazu, der macht ja doch nur Probleme. Eines Morgens schneidet er dem Fernseher das Kabel ab und schlingt es um ein Rohr in der Dusche und um seinen Hals. Das bringt ihn nicht um, sein Genick hält mehr aus als die Bausubstanz, aber der ganze Tag ist durcheinandergebracht. Der „Bomber“ fährt gleich gar nicht hinaus – muss Duffek jetzt nicht ins Krankenhaus? 

Statt erster Hilfe gibt es dann aber Gerangel im Auto und einen Unfall, nach dem ein paar Leute verletzt und verwirrt durch die Landschaft stolpern, auf einer Art Odyssee, halb im Kopf, aber dann doch irgendwo in der Welt, wo man aber auch nicht auf sie gewartet hat. Der Bauer Hebenstreit irrt durch die Donauauen, mit Duffek und einem weiteren Arbeiter (Jonas), den er nicht ganz einschätzen kann; des Bauern Frau Magda verzettelt sich derweil zunächst in einem ihrer Nebenjobs und dann auf der Suche nach dem Ehemann, wodurch sie wiederum ihre Tochter auf dem Heimweg von der Schule verpasst, die sie dann deshalb auch noch suchen muss – und bei den Arbeiter:innen in den Containern findet. An einem anderen Schauplatz protestieren währenddessen ein paar Jugendliche gegen den weiteren Ausbau des Flughafens, ketten sich mit Fahrradschlössern an und blockieren Fahrbahnen, bis man polizeilich wieder für Ordnung sorgt.

Göttfert erzählt mit scheinbar kühler Distanz von einem Tag, an dem für einige Leute allerhand schiefgeht. Reich an Metaphern, ironisch, zynisch, scharfkantig und voller Schwielen ist die Sprache in diesem Roman. Bald aber wird beim Lesen klar, dass die – vermeintliche – Distanz eine Erzählhaltung ist, die die emotionslose Kaltschnäuzigkeit kapitalistischer Sachzwangargumentation vorführt, indem sie sie scheinbar übernimmt, während sich dahinter hingegen ein weitaus empathischerer Blick verbirgt. Einer, der dort hinschauen will, wo andere wegschauen. Mit der Lupe werden die Figuren in ihrer höchstpersönlichen Bedrängnis betrachtet und in einem Daseinskontext, der auch ohne die Pannen dieses Tages nicht allzu erstrebenswert erscheint. Allen wird irgendwie übel mitgespielt, und niemand will so genau wissen, wie es den anderen damit geht. Einer wie Duffek sagt nichts und hat nichts zu sagen, und irgendjemand sitzt am Ende auf einem längeren Ast. Das Schicksal hält großzügig Ohrfeigen bereit: Eine rechts, eine links, und weiter geht es durch den Sumpf. Nicht alle werden darin eine Zukunft haben.

 

Sabine Dengscherz, geb. 1973 in OÖ, Autorin, Wissenschaftlerin, Universitätslektorin. Studium der Germanistik, Kommunikationswissenschaft und Hungarologie, Venia für Transkulturelle Kommunikation und Mehrsprachigkeit. Forscht zu Schreibprozessen und Kulturbegriffen. Mitglied der GAV. Lebt in Wien und Dénesfa. https://www.dengscherz.at/

Constantin Göttfert Duffeks Hände
Roman.
Wien/Innsbruck: Limbus Verlag, 2024.
412 Seiten, Hardcover mit Lesebändchen.
ISBN 978-3-99039-254-6.

Verlagsseite mit Informationen zu Buch und Autor 

Rezension vom 11.12.2024

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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