Lesung: Ta-Som Helena Yun
Moderation: Mascha Dabić
Der Frauentag, der jährlich am 8. März gefeiert wird, setzt ein Zeichen gegen die vielfache Diskriminierung und fehlende Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen aus allen Kulturen. Mit diesen Themen setzt sich auch Ta-Som Helena Yun in ihrem Debütroman Oh Sunny auseinander. Ihre Protagonistin Sunny bemerkt ihre eigene Situation erst spät, denn auf den ersten Blick scheint ihr Leben perfekt zu sein. Sie ist 26 Jahre alt, hat ihr Jurastudium erfolgreich abgeschlossen und führt eine Beziehung mit einem angesehenen Arzt. Dennoch hat Sunny das ständige Bedürfnis einfach nur zu schlafen.
Geboren und aufgewachsen in Deutschland als Kind koreanischer Eltern, lebt Sunny in einem Spannungsfeld zwischen zwei Kulturen. Sie fühlt sich weder vollkommen als Deutsche noch ganz als Koreanerin. Ihr Alltag ist geprägt von einem ständigen Balanceakt: Sie versucht, den Erwartungen ihrer Eltern, ihrer kulturellen Gemeinschaft und ihres Umfeldes gerecht zu werden. Dabei ordnet sie ihre eigenen Wünsche oft unter und geht Kompromisse ein – sei es während ihres Studiums oder in ihrer scheinbar perfekten Beziehung, die von außen betrachtet wie ein Musterbeispiel für Stabilität und Erfolg wirkt.
Der Wendepunkt in Sunnys Leben kommt bei einem traditionellen Chuseok-Fest, dem koreanischen Erntedankfest, das von ihrer Familie organisiert wird. Ein heftiger Streit eskaliert, und Sunny beschließt, dass sie genug hat. Sie bricht den Kontakt zu ihrer Familie ab und verlässt ihr gewohntes Leben. Sie landet in einer Turnhalle eines koreanischen Kulturvereins – ein Ort, an dem sie unfreiwillig mit der Kultur konfrontiert wird, der sie eigentlich entkommen wollte. Planlos quartiert sie sich dort als „Praktikantin“ im Geräteraum der Halle ein. Doch genau hier, zwischen Turngeräten, und Traditionen beginnt für Sunny eine tiefgehende Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Vergangenheit, ihrer Identität und dem Wunsch nach Selbstbestimmung.
Die in Berlin lebende Autorin Ta-Som Helena Yun liest aus Oh Sunny und erzählt von den Herausforderungen gesellschaftlicher Normen und Erwartungen. Moderiert wird der Abend von Mascha Dabić. Sie ist Übersetzerin, Dolmetscherin und Autorin. Ihr Debütroman Reibungsverluste erschien 2017 bei Edition Atelier.
