Maria Lassnig (1919-2014) hat ein umfassendes wie tiefgreifendes Œuvre auf den Gebieten der Malerei und Grafik geschaffen. Kennzeichnend für ihr Werk ist vor allem der Begriff „Körperbewusstsein“ oder „Body Awareness“: Lassnig erspürte ihre körperlichen Empfindungen und brachte diese mit künstlerischen Medien zum Ausdruck.

Während das bildnerische Werk Maria Lassnigs mittlerweile internationale Bekanntheit erlangt hat, ist ihr umfangreicher schriftlicher Nachlass größtenteils unbekannt. Dieser umfasst zahlreiche Texte, die Lassnigs bildnerisches Schaffen von Anfang an begleiten und von eigenständiger literarischer Qualität sind. 1999 kommentiert Lassnig in einem ihrer unzähligen Notizbücher ihre Texte: „Erinnerungen aufzuschreiben wäre eine Aufgabe. Diese Aufzeichnungen hier werden existentiell geboren. […] Meine kleinen Weisheiten, die sich wie Moränen neben den Gletscherzungen der Geschehnisse ansammeln.“

Verschlungen, komplex, widerspenstig, zwiespältig, freundschaftlich und intim-persönlich – aber vor allem vielschichtig. So könnte die Beziehung von Maria Lassnig zur Literatur charakterisiert werden. Die Produktion ihres umfangreichen bildnerischen und weltweit bekannten Werks war von einem lebenslangen Prozess des Lesens und Schreibens begleitet. Sie hat das Werk von Schriftsteller:innen – teilweise aus der Ferne, teilweise in sehr engen und persönlichen Beziehungen – verehrt und bewundert.

Eine große, erhalten gebliebene Bibliothek zeugt von Lassnigs Tätigkeit als unermüdliche Leserin. Ihre Tagebücher, die sie seit den 1940er Jahren führte, Notizblätter und Briefe ebenso wie Reportagen und Film-Scripts, die sie verfasst hat, erzählen die Geschichte einer geistig-registrierenden und reflektierenden Persönlichkeit. In ihren diaristischen Aufzeichnungen tritt ihre hohe Affinität zum schriftlichen Ausdruck zutage, die ihr nicht nur bewusst war, sondern die sie auch in Notaten über das bildnerische und literarische Genre reflektierte. 1987 hält Lassnig fest: „Mein neuester Wunschtraum: Schriftstellerei. Ob ich noch dazu Zeit hätte und Talent? Nein. Es langt wohl nur zu Erinnerungsfetzen.“

Lassnigs intensive Leidenschaft für die Literatur führte sie mit unterschiedlichen schreibenden Persönlichkeiten zusammen. Sie fühlte eine emotionale Nähe zu Ingeborg Bachmann, aber ebenso zu Friederike Mayröcker. Befreundet war sie mit Paul Celan. Mit Michael Guttenbrunner verband sie eine Liebesbeziehung, ebenso mit Oswald Wiener. Bereits früh knüpfte sie Kontakt zu wichtigen avantgardistischen Exponent:innen der Literatur nach 1945, war sie doch mit Max Hölzer und Edgar Jené bekannt, die die kurzlebige Zeitschrift Surrealistische Publikationen herausgaben. Sie stand der Wiener Gruppe im Nachkriegswien nahe und besuchte deren Literarische Cabarets. Lebenslang bewunderte sie die Literatur Peter Handkes, insbesondere seine mehrbändigen Tagebücher. Sie war eine aufmerksame Leserin der Literaturzeitschrift manuskripte, mit deren langjährigem Herausgeber und Gründer Alfred Kolleritsch sie in brieflichem Kontakt stand. Auch mit dem Herausgeber der Protokolle, dem Kunsthistoriker Otto Breicha, pflegte sie regen Austausch.

Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt der Maria Lassnig Stiftung mit dem Literaturhaus Wien und setzt sich inhaltlich das Archiv als Ausgangspunkt, um die mannigfaltigen ästhetischen und persönlichen Austauschprozesse zwischen Lassnig und der Literatur zu beleuchten. Es werden erstmals zahlreiche Objekte gezeigt, die Lassnigs vielseitige literarische Kontakte belegen und dokumentieren, dass sie mehr als andere bildende Künstler:innen an der Schnittstelle zur Literatur stand.