... aus der Textwerkstatt

Anna Maria Kirchler

arbeitet an Lyrik und (lyrischer) Kurzprosa. Die eingesandten Texte setzen sich mit der Verortung von Ich und Du in der Welt und Versuchen der Wahrnehmung auseinander – eines der Gedichte ist nun hier nachzulesen.
(Sabine Schönfellner / Leiterin der Textwerkstatt)


weltverlust

 

wir haben

verhältnisse zu unberührten flächen

und vermehrt berührtes

wir haben

körper, die wir nicht mögen

die sonne am abend, im frühling, durchs küchenfenster

und die sonne, die wälder verbrennt und orte des daheimseins und welt

wir haben

lebensverlängerung -verschönerung -verwirklichung

wir haben depressionen

und „zu haben“ heißt

gut genug sein

nicht fragil sein

nicht sterblich sein

aber hier sein, schau, ich bin hier

wir haben verhältnisse zu schwellenzuständen

wir haben

immer weiter immer mehr, immer

angst

„of missing out“

vor uneindeutigkeiten

endlichkeit

nicht geliebt sein

wir haben

dinge, damit wir uns endlich mögen

handys am küchentisch, weil

schau, wir sind hier, schau

wir haben

scham, die wir nicht zeigen

wir haben zimmerböden und -decken und körper, die atmen, und menschen, die da sind, und

abwesenheit im sprechen

haben wir

weltverlust

fühlt sich an wie

etwas versuchen zu lieben vielleicht zu sehr

verstehen wollen

gut genug sein wollen

und die eigene fehlbarkeit

sagst du

du siehst müde aus

du weißt nicht wie

wie sagen

wie

in-der-welt-sein

wie

Anna Maria Kirchler © privat

Anna Maria Kirchler lebt und studiert seit vier Jahren in Wien. Neben Germanistik- und Psychologiestudium sind das Schreiben und die Faszination für Sprache immer präsent.

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