Die Realität der historischen Vergil-Figur – in Brochscher Terminologie umschreibbar mit den Schlagworten Endzeitgefühl, Wertezerfall, Fragmentierung der Gesellschaft, Mythenlosigkeit und Erlösungshoffung (die den Aufstieg des Christentums begünstigte) – wird mit der historischen Realität Hermann Brochs und seinem theoretischen Gedankengerüst verrechnet.
In drei großen Themenblöcken – „Nihilismus und Utopie“, „Ideologische(r) Diskurs“ und „Dichtung und Wissenschaft“ – arbeitet der Autor eine Fülle stringenter Befunde zum Werk Hermann Brochs heraus.
Eingewoben in den Text ist die fundierte Kritik an der – vor allem aber nicht nur älteren – Broch-Forschung, die sich nicht selten dazu verführen ließ, Brochsche Selbstkommentare (etwa bezüglich seiner radikalen Ablehnung der Romantik) als Wahrheiten hinzunehmen. Ebenso zurückgewiesen werden aber auch neuere Ansätze, die das Aufbrechen der Romanstruktur und intertextuelle Bezugnahmen bei Broch mit dem „semantischen Ungeheuer“ (S. 29) der Postmoderne in Verbindung zu bringen versuchen.
Das Bild, das sich aus Heizmanns Studie ergibt, oszilliert zwischen der kunstheoretisch avantgardistischen Haltung Brochs und seiner starken Traditionsverbundenheit auf inhaltlicher Ebene. Ausgehend vom Vergil-Roman arbeitet er Brochs gedankliche Nähe zu Positionen der konservativen Revolution – etwa der ahistorische Automatismus seiner Erneuerungsvisionen – und die problematische Rolle, die er der Dichtung im Prozeß der Welterneuerung zuschreibt – die „religiöse Komponente“ seiner Poetik (S. 153) – ebenso heraus wie die „typologische Romantik“ (S. 33) seiner Werke. Ohne mahnenden Zeigefinger wird die innere Logik des Brochschen Oeuvres sichtbar, ihre Zeitbedingtheit und auch die (un)bewußten Kämpfe, die Broch in seinen literarischen wie theroetischen Arbeiten mit und gegen seine eigenen Positionen austrug.