#Sachbuch

Arthur Schnitzler

Erich Kaiser

// Rezension von Evelyne Polt-Heinzl

Die Doppelnummer 138/139 der Zeitschrift Text Kritik ist dem Österreicher Arthur Schnitzler gewidmet. In bewährter Manier der Text Kritik-Autorenbände vermitteln zehn Aufsätze Einblick in Zeit, Umfeld und werkspezifische Aspekte seines Schaffens.

Der ausgewiesene Jahrhundertwendespezialist Gotthard Wunberg eröffnet den Band mit einer konzisen Darstellung zum „bewußtseinsgeschichtlichen Horizont von Schnitzlers Zeitgenossenschaft“. Wunbergs abschließendes Resümee verortet die Sonderstellung Schnitzlers – die in der Rezeptionsgeschichte für zahlreiche Irritationen und Mißverständnisse sorgte – in der Tatsache, daß er die zeittypische Konzentration auf neue künstlerische Techniken und Verfahren mit einem nie nachlassenden Interesse an konkreten „Fällen“, an Themen und Inhalten verband. Eine Art Fortführung dieser These findet sich in Wolfgang Sablers Aufsatz „Moderne und Boulevardtheater. Bemerkungen zur Wirkung und zum dramatischen Werk Arthur Schnitzlers“.

Auch Christoph Brechts Analyse von Schnitzlers Verhältnis zur sprachskeptischen Moderne ist in diesem Kontext zu lesen. Heidi Gidion arbeitet in ihrer Interpretation des Romans „Haupt- und Nebensache in Arthur Schnitzlers Der Weg ins Freie“ die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus als zentrales Handlungsmotiv heraus, ein Ansatz, für den Markus Fischers kundige Darstellung zu Technik, Verfahrensweise und Themenkonstanten in Schnitzlers Tagebüchern zusätzliche Argumentationshilfen in die Hand gibt. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit den Erzählungen Casanovas Heimfahrt (Gesa Dane), Fräulein Else (Barbara Lersch-Schumacher), der Traumnovelle (Michael Scheffel), und gleich zwei Beiträge schreiben die endlose Geschichte des Reigens weiter (Horst Thomé, Heinz Ludwig Arnold). Michael Scheffels ausführliche tabellarische Vita Arthur Schnitzlers und eine übersichtlich gegliederte Auswahlbibliografie von Nicolai Riedel, mit besonderer Berücksichtigung der Forschungsliteratur aus den Jahren 1982 bis 1997, beschließen den Band.

Wer die zum Klassiker gewordene erste deutsche Novelle mit durchgängigem Inneren Monolog vermißt, kann zum Band 84 der „Oldenbourg-Interpretationen“ greifen, in dem Erich Kaiser Leutnant Gustl und andere Erzählungen interpretiert und mit sorgfältig zusammengestellten didaktischen Materialien aufbereitet.

Neben der im Titel erwähnten Monolognovelle handelt es sich dabei vor allem um frühe kleinere Erzähltexte, in denen Experimente mit modernen Erzähltechniken wie offener Anfang und Schluß, perspektivisches Erzählen, Erlebte Rede und Innerer Monolog nachzuweisen sind. Behandelt werden die Erzählungen Der Empfindsame (1894), Ein Erfolg (1900), Die grüne Krawatte (1901) und Die Weissagung (1902). Den Abschluß des Interpretationsteils bildet die Novelle Spiel im Morgengrauen (1926) als Beispiel für die Verwendung dieser Gestaltungselemente in Schnitzlers Spätwerk. Als Auswahlkriterium nennt Erich Kaiser auch ein inhaltliches Moment: Die meist jugendlichen Helden sollen auch heutigen Schülerinnen (hier hätte sich als Beispiel aus dem Spätwerk wohl eher Fräulein Else angeboten) und Schülern Identifikationsmöglichkeiten bieten, die zum Lesen und Diskutieren einladen.

Vorangestellt ist dem Band eine Einführung in die Epochenproblematik sowie eine nach Themen (Wien, Judentum, Arztberuf, Frauen, Sigmund Freud und die Psychoanalyse etc.) gut aufbereitete Biografie Arhtur Schnitzlers. Etwa ein Drittel des Bandes nimmt das abschließende Kapitel „Unterrichtshilfen“ ein. Hier finden sich Vorschläge für übergreifende Unterrichtsreihen mit literarischen Texten vergleichbarer Thematik ebenso wie penibel ausgearbeitete Unterrichtseinheiten (inklusive grafischer Aufbereitungen) zu den vorgestellten Erzählungen bis hin zu Klausurthemen und weiterführenden bzw. aktualisierenden Textbeispielen.

Erich Kaiser Arthur Schnitzler. Leutnant Gustl und andere Erzählungen. Interpretationen.
München: Oldenbourg, 1997, (Oldenbourg-Interpretationen. 84).
134 Seiten, broschiert, mit Abbildungen.
ISBN 3-486-88684-3.

Rezension vom 15.05.1998

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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