Familienromane sind ein beliebtes Thema bei Autoren. Das vermeintliche Familienidyll wird gerne hinterfragt. Der Schutzraum der Familie stellt sich oft genug als Ursache für die psychischen Störungen von Menschen heraus. So auch im Roman von Peter Zimmermann, der sich erst im Lauf der Handlung als Familiensaga entpuppt, die ungefär 70 Jahre umfasst.
Das Buch beginnt als Geschichte der beiden Freunde Kurt und Rudi. Sie haben als Soldaten in Weissrussland im Zweiten Weltkrieg zusammen eine kriminelle Karriere begonnen und diese nach ihrer Rückkehr fortgesetzt. Aus Rache an einen ehemaligen Vorgesetzten im Krieg töten sie seinen unschuldigen Sohn. Traumatisiert von dem Verbrechen an seinen Sohn kann er ihren krummen Geschäften nicht mehr in die Wege kommen. Doch bleibt dies nicht das letzte Verbrechen, das sie auf sich laden. Ihre spätere Karriere als Geschäftsmänner wirkt wie eine geradlinige Fortsetzung ihres kriminellen Werkes.
Die Frauen in diesem Roman sind Opferfiguren. Es sind drogensüchtige oder psychisch instabile Personen, die nur ein trauriges Schattendasein neben diesen Männern verbringen. Selbst die mysteriöse Greta, die den erwachsenen Erben der Familie, Achim, in ein Hotel entführt, um ihm ihre Lebensgeschichte zu erzählen, hat ihr gescheitertes Leben den Verbrechen von Kurt und Rudi zu verdanken.
Alle Lebensgeschichten sind eng miteinander verwoben. Alle Beziehungen in diesem Roman beruhen auf Lügen und Verbrechen. Oder der Unfähigkeit, sich gegen die patriarchalen Familienoberhäupter zur Wehr zu setzen. Nur das enge Band zwischen Rudi und Kurt trotzt unverbrüchlich allen Widerwärtigkeiten und ist enger als familiäre Beziehungen.
Zimmermann lässt den Leser über viele Verbindungen und Taten bis zum Schluß im Unklaren. Er verzichtet ganz bewusst auf einen stringenten, zeitlich klaren Ablauf der Handlung. Er setzt Rückblicke und Parallelverläufe in der Geschichte überlappend nebeneinander, ohne diese eindeutig zu trennen. Zusammenhänge werden durch diese Collagetechnik und die manchmal zu blumigen Sprachbilder nur langsam deutlich und zumeist nie ganz geklärt. Die Gründe für Handlungen einzelner Personen erschliessen sich dadurch nur bruchstückhaft und bleiben zumeist in einem Nebel der Erinnerungen verborgen. In den Erinnerungen von Rudi begann alles in einer kalten Kriegswinternacht in Weissrussland. Doch was wirklich damals geschah, bleibt der Phantasie der Leser überlassen.
Zimmermann kann bzw. will dabei mit der Brutalität skandinavischer oder südafrikanischer Kriminalromane nicht mithalten. Mord ist nichts, was ihn zu detailreichen Schilderungen reizt. Er verliert sich nicht in blutrünstige Spektakel. Ihm geht es darum, zu zeigen, wie sich die Folgen von Verbrechen über Generationen auswirken. Gerade dadurch, dass niemand wagt, offen zu reden, wird die Schuld nur noch größer.
Die Partnerin von Kurt und die nachwachsenden Generationen hadern mit den Taten der Männer, doch statt zu sühnen, begehen sie selbst weitere Verbrechen. Ihr Hadern mit dem Schicksal ist der Luxus verwöhnter Menschen, die mit dem schuldhaft angehäuften Vermögen, mit den Villen ihrer Eltern nichts anzufangen wissen.
Peter Zimmermann schreibt eine Geschichte des Wiederaufbaus nach dem Krieg. Dass dieser keine saubere Sache war, macht der Autor überzeugend deutlich. Die vermeintlichen Profiteure des Wirtschaftswunders und der folgenden Jahrzehnte sind eiskalte Machtmenschen, die ihre Schuld auf die nachfolgenden Generationen vererben. Infam sind hier nicht einzelne Romanfiguren, sondern eine ganze Generation, Peter Zimmermann lässt diese eine Familie stellvertretend für eine ganze Gesellschaft scheitern. Es ist ein Familienroman in bester Tradition.