Was bei Dine Petriks Gedichtband Befragung des Zorns sofort ins Auge springt, ist der schwere Drucksatz, wie ihn sonst meist der Nautilus-Verlag aus dem Bleischrank holt, wenn es um die Darstellung von DADA-Texten geht.
Und durchaus DADA-ähnlich ist auch die Absicht der Autorin, bereits mit der Zuschnitzung des Textblockes ein bestimmtes Umriß-Bild zu erzeugen. So rinnt etwa beim Regengedicht „shit“ (S. 15) tatächlich gegen Ende das Wasser durch die Zeilen und verfachtet den letzten Sinn in ein großes, buchstabenloses Gewässer.
Wenn ein Zaun Löcher hat, so finden sich diese auch im Drucksatz. Ein Pokalgedicht richtet sich nach den Konturen dieses Gefäßes, und wenn der Flattersatz hinten arg ins Zittern gerät, heißt das Gedicht „nervous“ (S. 73).
Dennoch sind die Gedichte keine bloß visuellen Konglomerate, sondern sie sind oft mit schweren Headlines ausgestattet und haben immer ein Szenario, in dem das lyrische Ich einen Auftritt, eine Katastrophe oder ein Purgatio erlebt. Die Aggregatszustände für dieses lyrische Programm sind mit „mystisch – mündig – moduliert“ überschrieben und erwecken ferne Assoziationen mit Auszählreimen (etwa: müde – matt – mausetot).
Dine Petrik legt den Texten oft Gebrauchsanweisungen für die Lektüre bei, die gleichzeitig zu tragenden Elementen des Gedichtes werden. Im Gedicht „die so nette katz“ (S. 53) wird ironisch die Sonett-Form aufgegriffen und zu einer Sonett-Doublette im doppelten Sinn des Wortes moduliert. Eine subtile Beschreibung einer Katzenbeschreibung steigert sich im zweiten Teil zu einer Reflexion der Reflexion. Garniert wird diese Katzen-Hommage noch mit Lautmalereien der Katze und Klopfzeichen der streichelnden Hand.
Eines der komplexesten Gedichte ist mit „IL SILENZIO / IN UDAIPUR“ überschrieben. Mit diesem Gedicht gelingt es Dine Petrik, eine innere Reise in einem perfekten Naturset zu installieren. Meer, Lava, Oper und Antike sind zu einer Aufführung vor dem lyrischen Ich angetreten, das vor dieser Wagner-ähnlichen Oper in Bewunderung ausbricht. Im gleichen Atemzug freilich treten aus der perfekten Inszenierung wie überall an wundersamen Orten die perfiden Gestalten des Tourismus in Szene, so daß man am liebsten nach einem weltweiten „Silenzio“ rufen möchte.
Dine Petriks Gedichteband bietet dem Leser alles, was er sich von guter Gegenwartslyrik wünschen kann. Ein dynamisches Sprachspiel, innovative Bilder, hintersinnige Vor- und Metaebenenen und eine kluge Ironie, die das lyrische Ich äußerst sympathisch macht. Im Vorsatz ist sogar eine kleine Lyrik-Theorie abgedruckt, womit die „Befragung des Zorns“ als durchaus positives Programm ausgewiesen ist.