Die teilweise bereits zuvor, bisweilen entlegen und manchmal variiert publizierten Essays und Theaterstücke präsentieren ein breites Spektrum an Themen. Gerade die Verbindung der unterschiedlichen Textsorten, die mehrmals direkt kommentierend aufeinander eingehen, öffnet verschiedene Blickwinkel und verdeutlicht im Kontrast auch deren je spezifische Produktivität. Neben der zentralen Versammlung der Texte in einem Band ist das auch als die genuine Leistung dieser Neuerscheinung zu sehen.
So widmet sich etwa der titelgebende Essay aus dem Jahr 2008 humanitären Rettungs- und Hilfsaktionen sowie deren Stellenwert im politisch-ökonomischen Gefüge. „Besser wäre: keine“ ist als Zitat eines NGO-Mitarbeiters ausgewiesen und bezieht sich auf eben diese Aktionen. So verstörend diese Aussage ist, so werden zu ihrer Untermauerung doch schlüssige Argumente eingeführt – etwa die unfreiwillige Verlängerung von Krisensituationen, Ineffizienz, bürokratische Lasten (vgl. 108f.). Röggla skizziert humanitäres Engagement als eingespannt zwischen sozialem Anspruch, politisch-wirtschaftlichem Kalkül und den letztlich nicht abschätzbaren Langzeitauswirkungen. Das Theaterstück NICHT HIER oder die kunst zurückzukehren, das 2011 am Staatstheater Kassel uraufgeführt wurde, widmet sich diesem Thema aus anderer Perspektive. Das Personal besteht aus heimgekehrten EntwicklungshelferInnen und deren BegleiterInnen; aus Figuren, deren Status in der als ungewiss und verstörend empfundenen Heimat Deutschland zusehends unklar wird. Sie entpuppen sich als verzweifelte Schwindler – wie Dirk, Agraringenieur beim DED, der die Angaben zu seiner Aufenthaltsdauer in Deutschland immer wieder variiert. Sie basteln an fiktiven Existenzen im Ausland – wie Sandra, eine ehemalige Nothelferin und DED-Mitarbeiterin. Sie entlarven sich als versteckte KolonisatorInnen – wie Christin, eine sogenannte MAP (mitausreisende Partnerin), die klagt: „man hat mir gesagt: auch hier findest du ein kleines afrika, und jetzt finde ich es nicht“ (138).
Zentral verhandelt wird dabei wiederholt die Frage, wer Macht besitzt. Mehrmals verweist Röggla auf Michel Foucault und damit auf einen komplexen Machtbegriff, der nicht eindimensional gedacht werden kann. In Gespensterarbeit und Weltmarktfiktion (2009) kritisiert sie demgemäß „eine klassische Mystifizierung von Macht“, die die Welt „in Insider und Outsider“ (221) teile, in jene die wissen – beispielsweise welche wirtschaftlichen Daten gerade bestimmend sind und was sie bedeuten – und jene, die dies eben nicht tun. Das Stück draußen tobt die dunkelziffer, uraufgeführt 2005, hat unter anderem diese omnipräsente gesellschaftliche Konstruktion zum Gegenstand und dekonstruiert sie in der anonymisierten Rede: „und dann erhalten wir unmengen von zahlen, und es ist nicht klar, was damit abgebildet werden kann“ (254).
Als konstitutiv für Rögglas Reflexionen ist zudem die schon erwähnte Auseinandersetzung mit medialen und politischen Inszenierungen sowie mit den Möglichkeiten der Verarbeitung dieser so kreierten ‚Realität‘ zu sehen – beispielhaft bearbeitet in dem Stück fake reports, uraufgeführt 2002. So heißt es in dem Essay Gespensterarbeit und Weltmarktfiktion: „Schriftsteller, angeblich Meister des Fiktiven“ seien „entthront von dem gesellschaftlich Fiktiven“ (229). Dies bespricht Röggla etwa an Film- und Katastrophennarrationen. In Reality Bites zitiert sie dann Michael Moores Rede von den „fictitious times“ und benennt damit die Schaffung von gesellschaftlich bestimmenden „Wirklichkeitsbildern“ (397). Wenn sie „einen Text über Realismus schreiben würde, käme das Gerücht drin vor, das Virus und die Desinformation, das Fingierte, das eine Gegenform zum Fiktiven ist“ (402). Demzufolge müsse auch die Position des/der SchriftstellerIn stets neu ausgelotet werden, was die Texte des Sammelbandes insbesondere in dieser Zusammenstellung jedenfalls und auch selbstironisch leisten.