Kornfeld, einer der bedeutendsten expressionistischen Dramatiker seiner Zeit, setzt auch in seinem Roman mit Hilfe von Dialogen die Figuren miteinander in Beziehung, läßt sie aneinander vorbeireden, selten für kurze Zeit zueinander finden. Im Dialog enthüllt er ihren Charakter, ihr Denken, wird die Welt der zwanziger Jahre, die Exzentrik der Menschen, ihre Ansichten, ihre Lieblosigkeit – ihre Langeweile und ihre übergroße Angst vor dem Leben dargestellt. Kritische Betrachtung der Gegenwart ist ebensowenig ihr Thema wie psychische Not der engsten Mitmenschen.
Auch die Parabel des Romans wird in einer Gesprächsrunde erzählt: die Parabel des Leukadischen Felsens, der einst die Menschen zum Selbstmord verführte. Die Leukadier führten symbolische Opferungen durch, um die Götter zu beschwichtigen.
Der Frühling, die Zeit des Romans, ist Symbol für Blanches Lebensabschnitt: „die Paare sind übers Land verstreut, aufrecht oder hingestreckt, in den Wäldern, in den Alleen und in allen Winkeln der Städte. Die Herzen sind geschwollen, und die Gehirne werfen Blasen!“ (S. 301) Feding, der so über diese Jahreszeit spricht, ist Seniorpartner von Blanches Vater. Feding, der das Klare, das Natürliche, das Übersichtliche liebt. Aber vor allem liebt er Blanche, die er, der Kinderlose, fast als seine Tochter betrachtet. Von allen Figuren des Romans ist Feding am liebevollsten gezeichnet. Kornfeld führt ihn verspätet, seinem Charakter gemäß, ein: gemächlich, ruhig, beobachtend. Mit fortschreitendem Inhalt steigt seine Wichtigkeit für die Handlung des Romans. Feding kennt Blanche seit ihrer Geburt, sie ist so, wie er sich eine Tochter gewünscht hätte: strotzend vor Gesundheit, unkompliziert, einfach und natürlich. Aber Feding weiß – vor allen anderen Menschen rund um Blanche – auch um die Gefahr, die in ihr ist; Feding weiß um ihre Wünsche und Sehnsüchte, er erkennt, daß sie vieles von dem hat, was er tief in sich verschlossen trägt. Pandoras allerletzte Gabe, die Hoffnung der Leidenden, wird Blanche letztendlich verschlossen bleiben.
Blanche, die Protagonistin, erkämpft sich hartnäckig ihr – scheinbar herrenloses – Häuschen, ihr Atelier, da sie ja Malerin sein will. Es wird ihre Zuflucht, ihr Refugium, das Zentrum ihrer Existenz, wohin sich sich vor der Welt flüchtet, die sie dennoch gerade dahin verfolgt, um sie daraus zu vertreiben.
In Kornfelds Roman wird eine Unmöglichkeit deutlich: die Unmöglichkeit für Frauen der zwanziger Jahre – umringt von einer uninteressierten, zynischen, männerdominierten Gesellschaft -, ein emanzipiertes Leben zu wählen. Gisela, Blanches Freundin, wird als künstlerisch begabte Fotografin nicht zur Kenntnis genommen. Nur ihre Skandalgeschichten kursieren – wiewohl sie außer Blanche die einzige ist, die sich solidarisch, loyal und ehrlich verhält. Gisela spielt mit, liefert Skandale, sie sind ihr Schutz, ihr Deckmantel. Sie ist es, die überleben wird, da sie auf die Meinung der Menschen nichts gibt. Gisela ist unabhängig, autonom, solange sie nicht eine Liebesgeschichte zum Straucheln bringt.
Subtile Hauptfigur des Romans: die Schlaftabletten, die das Dienstmädchen des Arztes gesammelt hat, um sich das Leben zu nehmen. Krau, ihr Dienstherr, rettet sie, vergißt aber, die Tabletten in Sicherheit zu bringen. Sie gehen reihum, verleiten – wie der Leukadische Felsen – zum Selbstmord. Vorerst ist der Schaden nicht sonderlich groß: ein paar verschlafene Tage und das Leben geht weiter wie zuvor.
Feding ist Blanche in ihrem Unglück, dem Verlust ihres Ateliers, näher als Blanches Eltern. Er, der gewiefte Anwalt, kann ihr nicht helfen. Er sieht ihren Kummer, doch auch er ahnt die Tragödie zu spät. Seinen Vorsatz, ihr am nächsten Tag eine Reise anzubieten, um sie abzulenken, kann er nicht mehr in die Tat umsetzen: die Götter haben das symbolische Opfer nicht mehr angenommen.