Metrum, Reim oder sonstige ästhetische Fragen, die „so ein gedicht im alten ton, sagen wir …“ (S. 2) entstehen lassen könnten, kümmern den Autor wenig. Mit seiner saloppen, bisweilen ins Vulgäre abgleitenden Sprache verschließt er sich der Versuchung erhabener lyrischer Posen und gibt im munteren Plauderton seine kulturkritischen Anmerkungen zum Besten. Im Gedicht mit dem vielsagenden Titel „MIR ist inzwischen“ wendet sich etwa ein Keramikarbeiter, der Gartenzwerge mit Chemikalien präpariert, an seine Liebste und stellt sich vor, wie es wäre, wenn er „ganz nüchtern blumentröge zur gemüseanzucht. oder:/keramik-hardcore-porn,/zwei meter große einzelstücke,/so diese sorte“ (S. 6) zur Abwechslung herstellen könnte. Es versteht sich von selbst, dass dem lyrischen Ich angesichts seiner tristen Verrichtungen in der Fabrik „inzwischen auch schon alles wurscht ist“ (S. 5).
Viel und heftig wird in Schmitzers lyrischem „postapokalypsen-zirkus“ (S. 7) geträumt, wobei es sich hier weniger um ein nostalgisches Herbeisehnen der alten Sicherheiten und Ordnung handelt, als um ein Changieren zwischen virtueller Realität und traumhaftem Alpdrücken. „das netz, das netz, das netz ändert alles“ lautet ein Vers, der wohl als Persiflage eines Jingles gedacht ist und die brutale Vorherrschaft des Cyberspace dokumentiert. Dass ‚da draußen‘ Männer um „echte feuertonnen rumstehen/weil ihnen ganz in echt ganz kalt ist“ (S. 7), wird vom Worldwide Web ignoriert.
Ja, Schmitzers unterkühlter Kosmos ist knallhart und bietet statt bukolischer Streuobstwiesen den metallenen Glanz von Kameras, die filmen oder überwachen. Da erstaunt es nicht, dass sich das lyrische Ich wünscht: „ich möchte teil der kreativen klasse sein,/und nicht mehr wissen, welche welt das ist, die ich bewohne“ (S. 25). Wo Coolness und Beliebigkeit die Moral verdrängt haben, kann es dann auch lustig sein, mit Franzens zersägten Körperteilen ein Ballspiel zu inszenieren und seinen Kopf mit Leuchtdioden auszurüsten, damit er „wie eine jahrmarktsdeko blinkt“ (S. 12).
Trost gibt es in dieser dämonischen Lyrik keinen, selbst wenn selbstgewiss proklamiert wird: „im wetterleuchten scheint die menschheit dir vollkommen./man besitzt zähne, augen, kupferdraht und glaskeramik“ (S. 34). Ob man mit diesem Überlebenspaket durchkommen wird, wenn Wien und Klosterneuburg brennen und die Explosionen von Basra widerhallen, bleibt fraglich. Ein robuster Magen kann jedenfalls nicht schaden, wo „plastikkörperteile, monstren, leichen“ (S. 41) lagern und die Wörter fehlen, mit denen derlei Visionen adäquat zu vermitteln wären.
Etwas müde, etwas gereizt legt man diese unerhörten denunziationen zur Seite, um kurz durchzuatmen und sich die Augen zu reiben. Diese Gedichte sind nicht fürs Stammbuch, sind nicht zur Zerstreuung bildungsbürgerlicher Sonntagsästheten verfasst worden, sondern funktionieren nach dem Prinzip permanenter Irritation. In diesen lyrischen Visionen sind die Fluchtwege in „das letzte bisschen dingwelt“ (S. 10), das wir aus der Kindheit kennen, versperrt. Schmitzers Verse konterkarieren jeglichen Eskapismus, und wer noch Zweifel hat an der Unumstößlichkeit dieser Einsicht, den warnt der Dichter hämisch: „glaub jetzt mal nicht dran dass du aufgewacht seist“ (S. 40). Nein, der Leser soll und darf sich nicht davonstehlen und bleibt Gefangener dieser renitenten Sprachgebilde, die sich als haltlose gedichte ausgeben und in Wahrheit die Unerträglichkeit / Schwierigkeit des Seins in diesem noch jungen 21. Jahrhundert treffsicher abbilden.