Formal präsentieren sich die Texte durchaus klassisch: Meldungen, Gesprächsfetzen, Gedichte, Sketches, Fabeln, Kurzgeschichten und Lieder mitsamt den Notentexten. Als Material dient der Fundus eines minutiösen Sammlers, der alles, was er sieht und hört, in seine Mappe steckt. Meist sind es Schnappschüsse aus dem Alltag, scheinbar Banales am Telefon, im Stiegenhaus, beim Zahnarzt, ohne Retuschen und ungerahmt, nur durch die Übertragung vom Dialekt ins Schriftdeutsch stilisiert. Im Buch sind in etwa 50 derartige Stücke versammelt.
Das Groteske zeigt sich erst in der Auswahl und der Schnittechnik. Immer geht es ums Aneinandervorbei, um Abnutzung von Beziehungen, Enttäuschungen, Aggressivität unter Freunden. Die Sequenzen enden mit dem Scheitern von Verständigung, bestenfalls mit einem Schieflauf ins Skurrile, meistens aber ins Unbehagliche oder Böse. Unheimlich ist dabei das Unberechenbare, Blitzartige, mit dem das Harmlose nach einem kurzen Anlauf grundlos ins Abgründige kippt: man spürt die Lust des Marquis de Sade an der bösen Überraschung.
Manchmal ist Ungeheuerliches auf einen knappen Satz verdichtet. Beispiel: „In Österreich werden jährlich nur 20.000 Kinder für gemeinnützige Zwecke mißbraucht“, steht isoliert auf einer leeren Seite. Solche Sätze haben Mandelbrot-Struktur: aus jedem Wort wuchert das Böse vergrößert neu heraus. Das Groteske liegt hier in der Wahrheit dieses Satzes.
In „Nymphenfrühstück“, der einzigen längeren Geschichte, werden aus solchem Material kleine Lebensläufe komponiert, von durchaus realen Typen, wie sie am Tresen jeder Likörbude zu finden sind. Ihre Lebenspläne scheitern, sie schleppen die eigene Zerstörung mit sich wie einen Virus: sie werden von Ratten aufgefressen, lassen sich in die Luft sprengen oder greifen sich gegenseitig tödlich an. „Die Pest wütet“ in ihren Köpfen. Phantastisch und doch realistisch: das Groteske in uns. Um solches einzuordnen, fällt einem Phettbergs anarchistisches Votum ein: „In der Kunst muß alles erlaubt sein mit Ausnahme bleibender körperlicher Verletzungen.“ – Der Leser kommt hier nur knapp davon …
Zum wenigen Versöhnlichen in Karners Buch gehören die kleinen Tuschzeichnungen und Scherenschnitte. Grotesk sind auch sie, doch freundlich zwinkernd zum Betrachter hin.
Karners Sprache ist feingeschliffen, treffsicher, kabarettistisch zugespitzt mit Widerhaken. Wortspiel und Doppelsinn sind Sinnträger, nicht Dekor. Manche Texte aus früheren Bühnensketches sind publikumgetestet und tragen noch die Spannung der Kellerbühne, wo der Auftretende in jedem Augenblick die Angriffslust des nahen Zuhörers parieren muß. Jedes Wort sitzt. Das fällt besonders in Sequenzen auf, wo die Aufmerksamkeit nicht durch die Pointe abgezogen wird. Die klare Sprache macht die finsteren Botschaften noch eindrücklicher.