#Prosa

Der Gesang des Coyoten

Christoph Janacs

// Rezension von Peter Landerl

Es ist schwer, über fremde Kulturen zu schreiben: entweder kommen dabei idyllisch-verklärte Sehnsuchtsbeschreibungen oder kritisch-analytische Bestandsaufnahmen der fremden Befindlichkeiten heraus. Oft wird der Blick auf möglichst bunte, aufregende, schrille Bilder gelenkt, wird Stimmung gesucht und gemacht, lesen sich Landschaftsbeschreibungen wie die Werbeschriften von Fremdenverkehrsbüros, beschränkt sich die Perspektive auf den außerhalb stehenden Bewunderer.

Christoph Janacs hat in seinem neuen Buch Der Gesang des Coyoten Geschichten aus Mexiko gesammelt. Es ist ihm dabei – soviel sei vorweggenommen – gelungen, die oben beschriebenen Gefahren gekonnt zu umschiffen. Seine Geschichten spiegeln eine große Vertrautheit mit der Kultur Mexikos, sie sind glaubwürdig im wahrsten Sinne des Wortes.
Janacs beschreibt in seinen Geschichten ganz unterschiedliche Figuren: Da ist ein Arbeiter, der voller Hoffnung vom ländlichen Norden in die Hauptstadt gezogen ist, vom Schmerz des Heimwehs geplagt zuhause anruft und bittet, den Hörer aus dem Fenster zu halten, um die vertrauten Stimmen der Natur zu hören. Ein amerikanischer Photograph kommt bei einem Aufstand in Chiapas ums Leben. Ein westliches Touristenpaar macht sich in Mexiko City auf Züge durch die entlegenen Stadtteile und muß die Unzulänglichkeit seines rationalen Denkens erkennen. Jeronimo geißelt sich wie die Flagelantes von Taxco, sodaß sein Rücken voller Narben bleibt. Als sich diese Narben bei fremdem Anblick zu schrecklichen Bildnissen verzerren, die nicht nur Abergläubige in Angst und Schrecken versetzen, wird er zum ehrfürchtig bestaunten Wunderkind. Ein Redakteur bemerkt immer mehr tote Vögel in den Straßen und deutet sie als Boten des Schreckens.
Janacs beschreibt ein geheimnisvolles, schönes Land, aber auch ein spannungsgeladenes, gewalttätiges. Er erzählt von der täglichen Gewalt auf der Straße in Form von Raubüberfällen, aber (in einer etwas pathetischen Geschichte) auch von staatlicher Gewalt, die im Niedermetzeln eines Dorfes in Chiapas eskaliert.

Seine Geschichten sind nicht im Sinne einer klassisch abgeschlossenen story zu verstehen. Die selben Figuren tauchen in mehreren Erzählungen auf, schreiben ihre Geschichten fort und um, lassen sie in einer anderen Perspektive erscheinen. Damit erzeugt Janacs ein romanähnliches Geflecht, das auf der einen Seite wirklichkeitsnah ist, auf der anderen Seite ins Magische, Mythologische driftet und damit den Geist Mexikos gut einfängt.
Am schönsten sind die Geschichten dort, wo Landschaften und Leute beschrieben werden, da wird die Stimme des Lyrikers Janacs sichtbar, die gekonnt Stimmungen verdichtet und den Leser in ihren Bann zieht.

Christoph Janacs Der Gesang des Coyoten
Mexikanische Geschichten.
Innsbruck: Haymon, 2002.
173 S.; geb.
ISBN 3-85218-382-0.

Rezension vom 22.04.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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