– So sinniert der Wiener Autor Franz Schuh anläßlich der Präsentation von Sabina Nabers zweitem Kriminalroman Der Kreis, in dem die Stadt Wien wieder prominenter Schauplatz eines Mordfalles ist.
Die Urbanität Wiens dürfte der Autorin allerdings kein vordringliches Anliegen sein – ihre Romane leben vielmehr vom Charme des „Kleinstädtischen“, vom sprichwörtlichen „Wiener Schmäh“, ihre Charaktere wirken wie alte Bekannte und die konstruierten Mordfälle erscheinen zwar skandalös, erschüttern jedoch keineswegs die gesellschaftliche Ordnung, über die sich Nabers junge Kommissarin aber trotzdem ihre Gedanken macht.
Da stehen im ersten Buch „Die Namensvetterin“ (2002) Swinger-Clubs im Zentrum der Ermittlungen, die in Wien idyllische Namen wie „Paradies“ tragen (in Berlin dagegen ganz direkt „Triebwerk“); und im neuen Roman „Der Kreis“ wird ein Toter auf der Grinzinger Himmelwiese verbrannt, die sich dabei in ein Inferno verwandelt und den Wienerwald in Brand setzt, worauf Kommissarin Kouba am Feuerwehr-Stammtisch im idyllischen Örtchen Mauerbach ihre Frau stehen muss, während Bier und Schnaps sowie die Anziehungskraft ihres attraktiven Kollegen Phillip sie zunehmend aus dem Gleichgewicht bringen.
Der verbrannte Tote erweist sich als wohlhabender Bauunternehmer, streng religiös und Mitglied der Lexaner, einer erzkonservativen katholischen Gruppierung. Deren Geschäfte sind ebenso verdächtig wie die privaten Verstrickungen des Ermordeten: eine geistig verwirrte Ehefrau, ein verstoßener Sohn samt Schwiegertochter, eine Ex-Geliebte mit Kind, eine mit Syphilis infizierte Haushälterin, als Exerzitien getarnte Bordellbesuche in Brünn. Verdächtige ohne Ende in der Hitze eines tagelang wütenden Waldbrandes, der das nächtliche Wien gespenstisch erleuchtet. – Was für ein Bild!
Nicht nur ein Nebenschauplatz ist das Sexualleben der Kommissarin, das nach ihrer Trennung vom langjährigen Lebensgefährten darniederliegt und im Zuge der Mordermittlungen spektakulär wiederbelebt wird. Nach einer ebenso überraschenden wie vergnüglichen Nacht in einem Swinger-Club („Die Namensvetterin“) stolpert Maria Kouba in Der Kreis herzzerreißend ungeschickt in eine Sado-Maso-Affäre mit dem besten Freund ihres Kollegen. Die Autorin lässt allerdings die ganze Szene unterkühlt wirken, wie ein pornografisches Stillleben, ein Ritual ohne Leidenschaft, dem die Protagonistin selbst hintennach wenig abgewinnen kann.
Vielleicht setzen Autorin und Verlag bei der Vermarktung der Texte allzusehr auf Sex und den Voyeurismus des Publikums. Buchumschläge und Klappentexte locken mit Hinweisen auf Swinger-Clubs und SM-Szene und auch die zugegebenermaßen sehr schönen Titelfotos sind bewusst als Projektionsfläche für einschlägige Phantasien angelegt, die – gewollt oder ungewollt – die attraktive Autorin miteinschließen. Diese schreibt aber keineswegs nur über Sex – im Gegenteil: Die gezielte Suche nach den bestimmten „Stellen“ könnte frustrierend sein, denn gar so viele sind es nicht.
Und der wahre Ort erotischer Spannung – die Beziehung zwischen Kommissarin Kouba und ihrem Assistenten Phillip – bleibt fernsehtauglich jugendfrei, denn die Polizistin hat ihre Prinzipien und „fickt nicht auf dem Tisch, auf dem sie arbeitet“. Das Ermittlerduo, das nicht zusammenkommt, ist zugegebenermaßen eine Konstellation aus der Mottenkiste Serienkrimi. Sie funktioniert jedoch hervorragend und garantiert dem Leser (gemässigten) erotischen Funkenflug ohne Ende.
Sabina Naber schreibt versiert, humorvoll und ungekünstelt. Die offensichtliche Filmtauglichkeit ihrer Romane, die ihr sogleich den Vorwurf der merkantilen Spekulation eingetragen hat, versteht sich bei ihr fast von selbst, denn die Autorin ist auch Schauspielerin, ehemalige ORF-Redakteurin, Drehbuchautorin und Regisseurin. Vielleicht verfilmt sie ihre Krimis gar in Eigenregie? – Soll es ihr gelingen! Maria Kouba gäbe eine sehenswerte TV-Kommissarin ab, und Sabina Naber ist eine Autorin, die sehr gut als weibliche Pionierin unter den „Tatort“- Drehbuchschreibern reussieren könnte.