Geschmäht wird dementsprechend auch nicht der „Sehr geehrte Herr“, der sich nichts anderes zu Schulden kommen hat lassen als dem Erzähler/Briefschreiber eine Einladung zur Mitarbeit an einem Buchprojekt zu übermitteln. Für jenen bedeutet das Anerbieten aber eine schiere Unmöglichkeit, so geht er auch mit keinem Wort auf die Inhalte des geplanten Projektes ein, hat auch nicht vor, seine Absage zu begründen, um damit „auf die eine oder andere Art, durch den Schornstein oder die Hintertür, mit Ihnen oder ihrem Projekt ins Gespräch zu kommen.“ Nein, keineswegs. Es geht lediglich und ausschließlich um den „Nachweis der Verwechslung (…) die durch Ihre Einladung an mich, an Ihrem Projekt teilzunehmen, vorliegt“.
Und natürlich geht es noch um jede Menge mehr. Um Literaturszene, Staat, Gesellschaft. Um den „Bedeutungsparasitär“ Fanzobel, Menasse und die Supermodels, Handkes Empfindungslosigkeit („Der Kleinhäusler als Dichterautomat als Revolutionär“), die Bürgerkreatur, Bildungsbürgerkreatur, Staatsbürgerkreatur, Bürgerkollektivkreatur und ihr verregeltes Umfeld, die Organisation, die jedes kleinste Lebensdetail bestimmt.
Und doch ließe sich all dies unter „Nachweis der Verwechslung“ subsumieren. Verwechselt wurde hier ein kritisch denkendes Subjekt, ein Individuum im wahrsten Sinnes des Wortes, das mit keinerlei aufgezwungener Gemeinschaft etwas gemein haben möchte, noch weniger mit den verlogenen Auswüchsen der Gesellschaft, verwechselt wurde also sozusagen ein intelligenter Misanthrop mit einem ehrgeizigen und ansonsten an die jeweilige Un-Kultur angepassten Schreibsubjekt, das für sich und seinen Output Leser, Preise, Anerkennung heischt. Und nach der Lektüre dieser knapp 170 Seiten langen Beweisführung wird wohl bestimmt kein „Sehr geehrter Herr“ mehr auf die Idee kommen, den Erzähler/Briefschreiber zur Mitarbeit an einem Buchprojekt einzuladen.
Neben Literaturbetrieb, Politik, Werbeszene und Spießbürgertum geht es vor allem der 68er-Bewegung an den Kragen. Eigennutz, Dummheit und Verlogenheit sind nur ein paar der Eigenschaften, die Goubran konstatiert. Und vor allem spricht er der Bewegung das Revolutionäre Element ab, jenes zumindest, das diese Bezeichnung im positiven Sinne verdient hätte. Wir leben – so der Autor – heute in der „Zukunft der 68er“, und die Entwicklung zu unserer Gesellschaft hätten jene ermöglicht, „die damals am lautesten geschrien haben und die auch heute konsequenterweise von diesem System am meisten profitieren.“
Bei aller Härte, Schärfe und Polemik geraten Goubrans Schimpftiraden niemals unter die Gürtellinie. Komplexe Gedankengänge, gewählte Sprache und eine gewisse Distanz zu den Objekten der Kritik bürgen für das Niveau des „Briefes“. Das bedeutet aber keineswegs, dass sich Goubran bezüglich der Inhalte seiner Kritik in irgendeiner Weise ein Blatt vor den Mund nähme. Die Schmähungen sind nur eben edel verpackt – und das macht den Pöbelkaiser zu einer nicht zuletzt auch sehr amüsanten Lektüre.