#Roman

Der Tod ist ein Flop

Soma Morgenstern

// Rezension von Jürgen Thaler

Als Soma Morgenstern 1976 in New York starb, hinterließ er nicht nur eine Fragment gebliebenen Autobiographie, sondern auch einen nicht vollendeten Roman, der nun in der Morgenstern-Werkausgabe des „zu Klampen“-Verlags erstmals veröffentlicht wird. Mit den für die nächsten beiden Jahre angekündigten Bänden, die der kleinen Form im Oeuvre des Autors und seinen hinterlassenen Tagebüchern gewidmet sein werden, endet die Werkausgabe, die in verlegerisch vorbildlicher Weise einen deutsch-jüdischen Autor wieder in das literarische Bewußsein brachte, der vor fünf Jahren nur noch einem interessierten Fachpublikum bekannt war.

 

Das Romanprojekt Der Tod ist ein Flop charakterisiert nichts besser als seine Stellung im literarischen Werk des Autors – als letztes ist es Testament, als Fragment Prospekt eines zukünftigen. Daß in seiner Mitte ein Schriftsteller steht, läßt autobiographische Akzente vermuten. Der vorliegende Textkorpus, so abgeschlossen er durch die Buchausgabe scheinen mag, legt Zeugnis ab von den Umrissen eines Buchprojekts, dessen wahrer Mittelpunkt vom Autor mehr angedeutet als ausgefüllt wurde. Erzählt wird die Geschiche des ungarischen Schriftstellers Aladar Csanda, der kurz vor dem Abschluß seinen neuen Buches steht, das er sein „Totenbuch“ nennen will. Ein mysteriöser Besucher verhindert die Fertigstellung dieses Lebensbuches, in dem der Schriftsteller die Erfahrungen im Konzentrationslager als Erinnerung an seine Freunde und Bekannten, die Auschwitz nicht überlebt haben, darstellen will. In den verschlungen erzählten ersten beiden Drittel des Romans spielt der Verleger des Autors eine wichtige Rolle. Mit seinem Auftreten löst sich nicht nur die Geschichte des mysteriösen Besuchers auf, der so vehement die Einstellung der Arbeit am „Totenbuch“ verlangte, auch der Titel Der Tod ist ein Flop, mit dem Morgenstern sein Buch über ein geplantes Buch überschrieben wissen wollte, gelangt zu einer ersten Klärung. Der Verleger erläutert im Dialog mit den Freunden des Schriftstellers, warum er ihn von seinem Buchprojekt abbringen wollte. „Ich wollte Ihren Freund Csanda von seiner Arbeit an dem Buch, das er das ‚Totenbuch‘ genannt hat, abbringen.“ – „Glauben Sie, daß er sich so was gefallen läßt?“ – „Darüber wird Ihnen Ihr Freund Csanda Auskunft geben.“ – „Hat Ihnen der Titel Totenbuch nicht gefallen?“ „Es hat mir nicht behagt, daß er sich mit dem Tod einläßt.“ – „Warum? Es ist kein so unwichtiges Thema, scheint mir.“ – „Unwichtig ist es sicher nicht. Aber es ist kein Thema für Csanda. Das Motiv, das ihn zu diesem Buch getrieben hat, war mir verdächtig. Er hat sich jahrelang Vorwürfe gemacht, daß er eine wichtige Episode in seinem Leben nicht verleugnet hat. Mit diesem Buch wollte er es abbüßen. So kommt kein gutes Werk zustande. Abgesehen davon: der Tod ist ein gefährliches Thema. […] Der Tod ist ein Flop.“ (S. 82f.)

Doch die Geschichte um das „Totenbuch“ ist nur Auftakt zu einer Reise, die der Verleger zusammen mit dem Schriftsteller und dessen Freunden unternimmt. Und es ist nicht irgendein Ziel, das die Reisegesellschaft ansteuert. Es ist die Insel Edenia, die vom Großvater des Verlegers – „Er haßte nämlich den Tod persönlich“ – mit Gleichgesinnten besiedelt wurde, um dort eine Gegenwelt zum „mörderischsten Jahrhundert“ (S. 97), zu errichten.

Mit der Ankunft auf der Insel zeigt der Roman sein wahres Interesse, indem er die Todesproblematik von einer fiktonalen auf eine reale Ebene transferiert. Denn Edenia ist nicht nur abgekoppelte Gegenwelt, sondern auch Beobachtungsstation der historischen Weltkatastrophen, in deren Zentrum zumal die Shoa erscheint. Die Menschen auf Edenia sind nicht nur einem anderen Leben verpflichtet, sondern betätigen sich auch als Aufklärer über den Stellenwert des Todes in der abendländischen Welt. Die robinsonadeske Schilderung von Edenia verbindet sich so mit einer auf Analyse abgestellten Weltbeschreibung, die wohl jeder literarischen Form ihre Grenzen aufzeigt. Gleichwohl ist diese Aufgabenstellung typisch für ein Werk, das am Ende einer schriftstellerischen Biographie steht. Herman Melvilles Roman „Mardi and a Voyage Thither“ kann dabei als literarischer Vorläufer gelten.

Am Ende von Soma Morgensterns literarischem Werk steht demnach ein Roman, der untypisch ist für diesen Autor, der aber – auch in seinem Scheitern – umso typischer erscheint für eine Generation von Künstlern, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Neuen Welt keine rechte Stimme mehr fanden.

Soma Morgenstern Der Tod ist ein Flop
Roman.
Hg: Ingolf Schulte.
Lüneburg: zu Klampen, 1999.
183 S.; geb.
ISBN 3-924245-46-0.

Rezension vom 16.12.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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