„Nur unter deutschen Schriftstellern war damals ‚Journalist‘ ein Schimpfwort“, schreibt Bermann bei Gelegenheit seiner Arbeit als Kriegsberichterstatter im Ersten Weltkrieg. Selbstkritisch fügt er hinzu, daß „keiner von uns Schriftstellern im österreichischen Kriegspressequartier aus unserem großen gemeinsamen Erlebnis während des Krieges oder danach ein Buch gemacht hat, daß irgend Dauer hätte haben können“. Dieser Ruhm wird dem schon früh bewunderten Karl Kraus zugestanden, zugleich einem Gegner, der am Beispiel Heine die Möglichkeit eines künstlerischen Journalismus ausgeschlossen hatte. Die Vergeßlichkeit der Nachwelt ist im Falle Bermanns nicht allein mit der kulturspezifischen Aversion gegen sein Metier zu erklären, sondern auch damit, daß an seine auf verlorenem Posten geleistete Arbeit für die Demokratie im Nachkrieg nicht erinnert wurde.
In der Fragment gebliebenen Autobiographie – sie bricht mitten im Ersten Weltkrieg ab, ist aber um einige autobiographische, bislang unveröffentlichte Episoden aus dem Nachlaß bis zu Bermanns erster, gescheiterter Flucht aus Österreich (1938) fortgeführt – ist von dieser Arbeit die Rede, von ihren politischen Bedingungen, von den medialen Zwängen wie Zensur oder den journalistischen Konkurrenzkämpfen. Seine unpathetische, die eigene Rolle in Frage stellende Darstellung des Kriegspressequartiers und der Fiktionen und Lügen der „Kiebitze des Todes“ ist von beklemmender Aktualität und ein Glanzstück dieser Autobiographie.
Bermanns Beschreibung seiner Jugend im Wien der Jahrhundertwende, nach einer bewußt knappen Darstellung der Prager Kindheit, beeindruckt als Soziogramm eines arbeitslosen Akademikers und Intellektuellen aus dem Milieu des assimilierten jüdischen Bürgertums, der Distanz hält zum liberalen Elternhaus und zu den nationalistischen Scharmützeln im studentischen Alltag. Bermanns Sympathie für die Sozialdemokratie, vor allem seine Bewunderung für Victor Adler, veranlaßt ihn keineswegs, Mitglied der Partei zu werden, sondern zur Arbeit im sozialreformerisch-demokratischen Zirkel um den Soziologen Friedrich Otto Hertz und dessen kurzlebiger Zeitschrift „Der Weg“.
Der Abschluß des Romanistik-Studiums in Wien ist desillusionierend: „Ich war nun ein Doktor der Philosophie. Aber ich hatte keinen Beruf und kein Einkommen.“ Dem Druck des Vaters, Mittelschullehrer zu werden, zieht er das „Hungerdasein“ vor. Nach einem beklemmend-grotesken Zwischenspiel als Hofmeister an der Riviera geht er, einem Rat Hermann Bahrs folgend, nach Berlin und arbeitet als Schreibsklave im Scherl-Verlag, dessen Zeitungen von prominenten Zeitgenossen verhöhnt wurden. Bermann macht sich einen Namen als pseudonymer Beiträger in den Weltblättern der deutschen Metropole. Das furchteinflößend-tirolerische Markenzeichen „Arnold Höllriegel“ hat ihm, ohne sein Wissen, ein österreichischer Kollege aus der Redaktion des „Berliner Tageblatts“ verpaßt. Die „kleinen Sachen“, die unter diesem Namen erschienen, seine Neugier für das neue Medium des Films und seine Reisefeuilletons machten ihn berühmt und eröffneten im die Welt zu einem Zeitpunkt, als diese sich anschickte, ihren Untergang im Krieg zu proben, ohne daß Intellektuelle wie er dies bemerkten oder bemerken wollten. Selbst unter dem Eindruck des Exils und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten schreibt Bermann diese bittere Einsicht nicht um. Selbstgerechtigkeit und Märtyrerpose sind nicht der Stoff, aus dem diese außergewöhnliche Selbstbiographie gemacht ist: „Ich wollte, ich könnte heute behaupten, daß meine Generation von deutschen Intellektuellen ihr furchtbares Schicksal ganz unschuldig erlitten hat. Dem ist leider nicht so. Wir waren, wie alle Deutschen, politisch unbegabt, und wir hatten zu wenig Zusammenhang mit den breiten Volksmassen, die wir plötzlich führen sollten.“ Dementsprechend distanziert beschreibt Bermann seine Haltung zu Kriegsbeginn: „Ich werde hier nicht behaupten, daß ich von Anfang an den in Wien herrschenden Kriegsenthusiasmus nicht mitgemacht habe.“ Sein Talent für Pointierung, das anekdotenhafte Erzählen gewinnt seinen Glanz erst durch diese selbstironische, buchstäblich welterfahrene Distanziertheit auch gegenüber der eigenen Rolle und Profession.
Es ist zu hoffen, daß es bald nicht mehr nötig sein wird, Größen wie Alfred Polgar, Hermann Broch oder neuerdings Michael Ondaatje zu zitieren, um auf diesen Autor aufmerksam zu machen.