#Roman

Die Hochstaplerin

Christine Grän

// Rezension von Karin Fleischanderl

Felicitas Wondraschek alias Fiona Lenzen alias Prinzessin von Ysenburg lernt die Hochstapelei von ihrem Vater, einem aus Brünn stammenden „Vermögensberater“, dessen Kunden am Ende meist durch die Finger schauen. Großgezogen wird sie von Klara, die sich gerne auch Claire nennt. Diese ist überzeugte Kommunistin, Komplizin, Haushälterin, Ersatzmutter, vor allem aber verhinderte Schauspielerin und Brecht-Darstellerin.

Felicitas spezialisiert sich bei ihrer Arbeit auf das männliche Geschlecht. Systematisch sucht sie sich möglichst vermögende Männer aus, um dann wie ein Parasit von ihren Opfern zu leben.
Die Herren, die sie im Laufe ihres Lebens kennen und betrügen lernt, sind sehr unterschiedlich. Da ist zunächst Heinrich, Türsteher in einem Nachtlokal und Boxer, ihr erster Liebhaber. Dann verliebt sie sich in einen Gläubiger ihres Vaters und bleibt zwei Jahre mit ihm zusammen. Es folgen ein Staatssekretär a. D., Paul, Musikkritiker und Erbe eines Baumarkts, der beim Sex an seine tödlich verunglückte Schwester denkt und deshalb zu früh kommt, ein Schlafwagenschaffner, ein Fußballer, etc.

Männer sind für die Hochstaplerin Mittel zum Zweck. Sie spielt mit ihnen und macht sich einen Spaß daraus, sie zu betrügen. Moralische Bedenken kennt sie keine. Für jeden ihrer Liebhaber erfindet sie eine passende Biografie und wächst derart in ihre Rolle hinein, daß sie fast selber glaubt, was sie sagt. Ihre Taktik ist einfach: Sie nimmt die Spielregeln der Männerwelt und wendet sie gegen diese. Allerdings ist ihr klar, daß ihr abenteuerliches Leben nicht auf Dauer gut gehen kann.

Das Blatt wendet sich dann auch, als sie Johannes Brenner kennenlernt. Sie verbringt Silvester mit ihm und wird Objekt seiner sadistischen Lust. Zum ersten Mal ist sie Opfer, nicht Täterin. Brenner zerstört in ihr den Glauben, Männern in jeder Situation überlegen zu sein. Diese Begegnung nimmt sie zum Anlaß, ihren bisherigen Lebenswandel aufzugeben. Nach einem letzten Coup lebt sie von dem ergaunerten Geld als „gute Kapitalistin“ auf einer Südseeinsel.

Christine Grän spart in ihrem neuen Werk nicht mit Kritik am Kleinbürgertum und an den Männern. Ihr Roman liest sich wie ein Roadmovie. Die Heldin, eine glühende Verehrerin von Leonard Cohen und Brechts „Baal“, wandert von einer Stadt zur nächsten. Immer auf der Flucht vor betrogenen Männern. Ziellos treibt es sie von Ort zu Ort, bis sie schließlich ihr Paradies findet. Um es mit Cohen zu sagen: „I have tried in my way to be free.“

Christine Grän Die Hochstaplerin
Roman.
München: Albrecht Knaus, 1999.
318 S.; geb.
ISBN 3-8135-0125-6.

Rezension vom 15.09.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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