„Das Schlachtfeld der Kriterien und der nie abgesicherten Wertungen treibt einen nur allzu oft in Krisen“, meinte der Autor an gleicher Stelle in der Presse und wehrt sich seit mehr als vierzig Jahren mit der Herausgabe einer fast legendären österreichischen Literaturzeitschrift, den „manuskripten“. Wer auf sich hält, hat zumindest einmal in seiner Schriftstellerkarriere in der Zeitschrift publiziert. Die „manuskripte“ schreiben zweifellos ein Stück jüngerer Literaturgeschichte Österreichs – Kolleritsch spricht poetisch über „Spuren eines Kontinuums“.
Am 16. Februar feierte Alfred Kolleritsch seinen siebzigsten Geburtstag. Sein Stammhaus Residenz ehrt den Autor mit einem Gedichtband, einem Best of Kolleritsch.
Siebzig Gedichte, eins für jedes seiner Jahre, fädeln sich in streng chronologischer Abfolge zum Geburtstagsständchen auf.
Siebzig Gedichte auf knapp einhundert Seiten ergeben zweifellos einen vorzeigbaren, einen respektablen Lyrikband. Es ist ein etwas konventionelles Geburtstagsgeschenk an den Jubilar geworden, solide ediert und auf gutem Papier gedruckt – kurz: „Die Verschwörung der Wörter“ ist ein klassisch schöner Lyrikband. Besser hätte mir etwas Persönlicheres gefallen, vielleicht eine Ausgabe von Kolleritschs Lieblingsgedichten in exquisit gestalteter, bibliophiler Loseblattfolge – ob nun von siebzig, dreiundneunzig oder zehn Gedichten.
Trotzdem: Die Verschwörung der Wörter ist wie gesagt ein schöner Lyrikband geworden, und die Liebhaber des Autors finden darin einige seiner eindringlichsten Gedichte.
„Das Glück: mit einem Ja verrauscht, / im Grün, vom heißen Wien verbraucht, / und drei Schritte weiter ging das Herz / mit seinen Worten weg.“
In atmosphärisch stimmigen Bildern nähert sich Alfred Kolleritsch den ewigen Themen der Lyrik – Tod und Vergänglichkeit, Liebe und Glück. Er beschwört Bilder von Nähe und Zärtlichkeit, von Sehnsucht und Verlust. Seine Sprache erzeugt sofort vertraute Nähe und erst bei genauerem Betrachten klaffen in der Harmonie des Sprachklangs Brüche, Offensichtliches verwandelt sich unversehens in Geheimnisvolles.
Kolleritschs Bilder aus dem Alltag verschließen sich dem Alltäglichen. Mit einem Anflug philosophischer Reflexion gleiten in der „Verschwörung der Wörter“ Jahrzehnte poetischen Fühlens und Denkens am Leser vorbei.
„Zum Vertrauen verführt, / zum Anfangsklang, erschrocken / zerbricht das Bild, / in schwarzen Mänteln / gehen Teile über die Grenze, / fremde Sprachen entstehen.“
Kolleritschs Lyrik ist im Lauf der Zeit karger und schroffer, abstrakter geworden. Abschiede und Trauer nisten sich in die Zeilen seiner Gedichte, der Tod scheint sich auf leisen Sohlen zu nähern.
„Es gab keine Tür für ihn. Im Offenen / gereizt, war er unbrauchbar / für das Licht.“
Alfred Kolleritsch entspricht dem Erwarteten jedoch nicht. Sein nächster Lyrikband handelt von Liebe.
Wir dürfen auf ihn gespannt sein. Er trägt den einfachen und einfach-schönen Titel „Die Summe der Tage“, und es ist der erste, der nicht bei Residenz erscheint, sondern im Konkurrenzverlag Jung und Jung.
Der im Sinn des Wortes junge Verlag wurde vom unsanft verabschiedeten langjährigen Residenz Leiter Jochen Jung erst im Herbst 2000 gegründet. Mit neuer Liebeslyrik von Alfred Kolleritsch hat er jedenfalls diesmal die Nase vorn.