#Sachbuch

Die Verwandlungen des Gert Voss

Klaus Dermutz

// Rezension von Ulrike Diethardt

Ein Zitat aus „Wilhelm Meisters Lehrjahre“: „… dass, wer sich nur selbst spielen kann, kein Schauspieler ist“, ist eines der dem Band vorangestellten Motti und wohl zugleich Credo von Gert Voss. Die Gespräche über Schauspielkunst überzeugen dann auch und machen deutlich, worauf es Voss ankommt, z. B. bei seiner Darstellung des Othello (1990, Regie: George Tabori): „Ich ließ mich auf das Risiko ein, mir eine andere Stimme und einen anderen Körper zu erfinden.“ (S. 120)

Gert Voss, der mit 23 Jahren anfing, privaten Schauspielunterricht zu nehmen, begann seine Karriere 1966 in Konstanz. Danach kamen Braunschweig, München, Stuttgart, Bochum, das Wiener Burgtheater, das Berliner Ensemble und wiederum Wien. Drei Mal wurde er von „Theater heute“ zum Schauspieler des Jahres gekürt, Thomas Bernhard hat ihm mit „Ritter, Dene, Voss“ ein bleibendes Denkmal gesetzt, Peter Handke erzählte dem Schauspieler, er habe bei der Figur des Pablo Vega in „Zurüstungen für die Unsterblichkeit“ an ihn gedacht. „Die anderen Schauspieler müssen gegen ihn auf der Bühne gewinnen“, meint Peter Zadek (S. 229).

Wer sich einen Bild- und Jubelband zu Gert Voss‘ 60. Geburtstag erwartet, wird enttäuscht – Bildmaterial und Huldigungsbeiträge stehen eindeutig im Hintergrund – wer etwas von der Voss’schen Auffassung über Schauspielkunst erfahren will oder ein Stück weit eine Antwort auf die Frage sucht, wie dieser Schauspieler, der in den letzten 35 Jahren nahezu 120 Rollen erarbeitet hat, zu seinem Spiel findet, wird zufriedengestellt sein.
Hier erzählt ein Schauspieler, der auch Leser in seinen Bann zu ziehen vermag, hier spielt einer mit dem Erzählen wie auf der Bühne. Die Blicke hinter die Kulissen, auf die Probenarbeiten, Auffassungsunterschiede mit Regisseuren, die Schilderungen, wie eine Figur sich herauskristallisiert, immer wieder neu entworfen und verworfen wird, bleiben durchwegs spannend, klug.

Von seiner ersten Rolle in George Bernard Shaws „Candida“ (1966) über den riesigen Erfolg am Wiener Burgtheater mit „Richard III“ (1997) bis zur Figur des Johannes Rosmer in Ibsens „Rosmersholm“ (Akademietheater Wien, 2000) – die Rolle, für die „Theater heute“ ihn wiederum zum Schauspieler des Jahres kürte – führt Gert Voss den Leser zu Kleist, Shakespeare, Tschechow, Beckett, Bernhard oder Handke, zu Regisseuren wie Noelte, Peymann, Stein, Zadek und Tabori.

Abgesehen von Kindheit und Jugend wird wenig Privates erzählt, aber umso mehr erfahren wir, wie Voss die Figuren, die er spielt, erlebt. Einige Vignetten gibt es dennoch. So wissen wir nun, daß Voss, der den Dramatiker Bernhard so sehr bewundert, der über dessen Figuren so viel zu erzählen weiß, mit Bernhard selbst nie ein längeres Gespräch geführt hat. Mit Peter Handke, läßt uns Voss wissen, sprach er erstmals bei der Premierenfeier von „Zurüstungen für die Unsterblichkeit“. Ein Stück, das der Schauspieler zunächst ungeeignet für das Theater fand das er als letztlich nicht ganz gelungen bezeichnet. Und auf Peter Turrinis „Endlich Schluß“ (Uraufführung 1997) wird Voss in dem Buch zwar angesprochen, er äußert sich dann aber nicht dazu.

Klaus Dermutz Die Verwandlungen des Gert Voss
Gespräche über Schauspielkunst.
Unter Mitarbeit von Karin Meßlinger.
Salzburg, Frankfurt am Main, Wien: Residenz, 2001 (Edition Burgtheater. 2).
256 S.; geb.
ISBN 3-7010-1259-X.

Rezension vom 11.12.2001

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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