Am 3. Juli 1848 erscheint mitten in den Revolutionswirren erstmals „Die Presse“, gegründet von dem Unternehmer August Zang, der in Paris das Zeitungshandwerk erlernt hatte. Zang ist erfolgreich, aber ein Despot. 1864 kündigte seine gesamte Belegschaft und gründete die „Neue Freie Presse“, konzipiert als liberales, weltoffenes, großbürgerliches Blatt mit einer betont österreichischen Linie unter der Leitung von Max Friedländer und Michael Etienne. Die „Neue Freie Presse“, die mit ihren 500 bis 600 Mitarbeitern Erfolg und Bedeutung über die Grenzen der Monarchie hinaus steigern konnte, überlebte Börsenchaos und den Ersten Weltkrieg. Nach dem „Anschluß“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurde die Presse liquidiert. Am 26. Jänner 1946 neugegündet – wegen Papiermangels zunächst nur als Wochenzeitung – erscheint „Die Presse“ ab 1949 wieder täglich.
Über die Ära Fritz Molden, den „Wiener Zeitungskrieg“, die Kämpfe der Presse ums Überleben bis zur Übertragung der Mehrheitsrechte an die Styria – deutlich wird die Rolle der Zeitung im Wechsel der Zeiten und der Anforderungen.
34 Autoren von Friedrich Achleitner bis Karl Woisetschläger lassen den Zeitabschnitt von der Aufhebung der Zensur im Revolutionsjahr 1848 bis ins digitale Zeitalter Revue passieren. Berichtet wird über den Kampf um die Pressefreiheit, das Verhältnis der kaiserlichen Familie zur „Presse“, über Karl Marx als Korrespondent in London, über das Weltausstellungsjahr 1873, über die Attacken von Karl Kraus, den Paris-Korrespondenten Theodor Herzl, etc. etc.
Dem Feuilleton als besonderer Institution des Wiener Kulturlebens ist ein eigener Schwerpunkt gewidmet. Kurzüberblicke geben Auskunft über Daniel Spitzers „Wiener Spaziergänge“, den langjährigen Kritiker Ludwig Spitzer und den umstrittenen Musikkritiker Eduard Hanslick. Eigene Beiträge sind auch jenen beiden Sonderfällen der Literaturgeschichte gewidmet, als das Feuilleton der „Neuen Freien Presse“ zum Ort von Erstabdrucken mit – unterschiedlich motivierten – Langzeitfolgen wurde: Karl Emil Franzos veröffentlicht hier das von ihm transkribierte „Wozzeck“-Fragment Georg Büchners (richtig „Woyzeck“, Franzos‘ unrichtige Leseart ging auch in Alban Bergs Libretto ein) und in der Weihnachtsbeilage des Jahres 1900 erschien Arthur Schnitzlers Novelle „Leutnant Gustl“, deren kritisches Potential in Militärkreisen die Wellen hochschlagen ließ und in einem ehrenrätlichen Verfahren mit der Aberkennung seines Offiziersrangs mündete.
Über die wechselvolle Geschichte dieser traditionsreichen Tageszeitung kann man sich derzeit auch in einer Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien informieren – bis 30. August.