Den Widersprüchlichkeiten des Schriftstellers und Politikers gerecht zu werden, ist bestimmt kein leichtes Unterfangen. Der Herausgeber Bernhard Fetz charakterisiert ihn als „Romantiker, Pragmatiker und Skeptiker in einer Person“ und steckt damit die individuellen Bedingungen ab, die für Fischers Wirken maßgeblich wurden.
Begonnen hat Fischers politische Karriere bereits Ende des Ersten Weltkrieges, als der gerade 19-Jährige zum Soldatenrat gewählt wurde. Auch der Hang zur Schriftstellerei zeigte sich früh. 1920 erschien sein erster kulturkritischer Aufsatz. Fischer bespricht darin eine Ausstellung der Grazer Künstlervereinigung „Freiland“, wobei er die expressionistischen Werke überschwänglich lobt und eine Art künstlerisches wie politisches Credo formuliert: „Etwas Neues ist angebrochen, der Morgen einer neuen Zeit vielleicht, und wir bekennen uns zu dem Neuen, weil wir eines vor allem hassen: Erstarren – eines vor allem lieben: Bewegung.“ (S. 49) Pikantes Detail am Rande: Ehe der Aufsatz von dem sozialdemokratischen Blatt Der Arbeiterwille angenommen wurde, hatte ihn der Autor der bürgerlichen Tagespost angeboten, die ihn jedoch mit Entsetzen abwies. Das Schwärmerische sollte Ernst Fischer jedenfalls bis ins hohe Alter nicht mehr ablegen.
Es folgten Erzählungen und Theaterstücke, wobei der Autor stets die philosophisch-theoretische Fundierung seiner Literatur weiterentwickelte. Was die politische Ausrichtung betrifft, erwies sich die Niederlage der Sozialdemokratie Anfang 1934 als entscheidend. „Die sozialdemokratische Führung hat versagt. […] Die Demokratie, dachte ich, hält nicht stand, hat nicht die Kraft, den Faschismus aufzuhalten. Nur die Sowjetunion wird standhalten, also zieh die Konsequenzen“, rekapituliert der Schriftsteller in dem Aufsatz Metamorphosen, der im vorliegenden Band abgedruckt wurde (S. 33).
Das Moskauer Exil brachte dann jene Verengung des Blicks, die von Bernhard Fetz als „schlampige Beziehung zu Wirklichkeit“ beschrieben wird. Fischer sah in Stalin den Gewährsmann für den Frieden in Europa. Die „Säuberungen“ rechtfertigte der nunmehrige Berufspolitiker als notwendige Maßnahmen, um die innere Einheit im Kampf gegen den Faschismus zu bewahren. Nach 1945 betraute man Fischer mit hohen Aufgaben: Der Kommunist wurde erster Unterrichtsminister der Zweiten Republik und bemühte sich, dem neuen Staat Selbstbewusstsein beizubringen.
In dem Buch Die Entstehung des österreichischen Volkscharakters versuchte der Politiker, die Eigenständigkeit und Fortschrittlichkeit der Österreicher historisch zu fundieren. Besonders interessant daran ist freilich, dass der Kommunist gerade in der barocken Habsburger-Tradition einen Garant für die Überlegenheit gegenüber „den Preußen“ sieht. Als Pragmatiker setzte Fischer im übrigen auf Konsens mit den anderen politischen Parteien. Mit dem Scheitern einer dauerhaften Regierungsbeteiligung erfolgte dann allerdings eine doktrinäre „zweite stalinistische Wende“. Erst 1968 sagte sich der KP-Funktionär angesichts des Prager Frühlings vom „Panzerkommunismus“ los und katapultierte sich damit parteiintern ins Abseits. Von der neuen Linken wurde er als Theoretiker wiederentdeckt, was den „Alten“ mit neuem jugendlichen Elan erfüllte.
Genauer nachzulesen ist dies – und noch viel mehr – in dem vorliegenden Band. Die ausgezeichneten Beiträge, einige bislang unveröffentlichte Texte des Autors und der Briefwechsel zwischen Ernst Fischer und John Berger machen dieses Buch zu einer Entdeckungsreise.