Seine Wiener Wohnung finden die Exekutivorgane nach dem Aufbrechen der Tür in reichlich seltsamem Zustande vor: er hat sein Wohnzimmer in ein Aquarium verwandelt. Und sich nur beim „Verein zur Erhaltung der Schilfgrasvielfalt am Neusiedlersee“ ordentlich verabschiedet.
Aber nun wirklich: warum das alles? In einer fest am Wohnzimmerboden verschraubten Kiste findet der Nachmieter und Ich-Erzähler persönliche Aufzeichnungen seines offensichtlich verrückten Vorgängers und verschreibt sich zusehends der Causa Unselig. In Interviews mit Nachbarn und Arbeitskollegen sucht er die Beweggründe des anderen zu erforschen, und je mehr er sich auf Spurensuche begibt, desto mehr wandelt er in den Fußstapfen des nun immer weniger Fremden, taucht ein in sein von Wasser und Muscheln bestimmtes Alltagsleben. Unselig, der nach einem Nordseeurlaub beschloß, „das Meer nach Hause zu tragen“, bleibt verschwunden. Und doch wird er uns immer vertrauter, denn unter unseren Augen verwandelt sich der Erzähler in einen Doppelgänger seines Forschungsobjekts.
Christian Stuhlpfarrers Erstling fisch. ein Bericht trägt bei aller Verschrobenheit seinen Untertitel nicht zu Unrecht. Der Erzähler gibt die Ergebnisse seiner Nachforschungen – sowie Wetterberichte und Sternenkonstellationen – regelrecht zu Protokoll, angeblich immer bedacht auf Objektivität – was selbstredend nicht mehr als ein Stilmittel darstellt, um die abstrusen Vorgänge des Plots umso deutlicher hervortreten zu lassen.
Und seltsame Gestalten sind nicht nur der ursprüngliche Protagonist, der niemals auftritt, oder der Erzähler, der allmählich selber zum Protagonisten wird; rund um das Geschehen tummeln sich jede Menge Wiener Originale, die in ihren Kurzauftritten für ein unverwechselbares Lokalkolorit sorgen.
Auffällig ist auch Stuhlpfarrers Vorliebe für Wortspiele und sprechende Namen. Und nicht zufällig ist das zentrale Motiv des Textes, das Untertauchen, zweideutig zu verstehen. Die Metapher wird beim Wort-Sinn genommen und erhält ihr Eigenleben, als wäre die unselige Lebenssituation, in die die beiden Hauptfiguren geraten, nichts als ein Resultat missverstandener Begriffe. Und kein Wunder, dass es beiden schließlich die Sprache verschlägt, während sie hinter Panzerglas und Sicherheitstür im Wohnzimmer grundeln, sehr zum Missfallen ihrer in Mitleidenschaft gezogenen Nachbarn.
Stuhlpfarrer heischt auch kein Verständnis für seine Figuren, er erklärt nichts, drängt uns keine Laienpsychologie auf, lässt den Leser alleine mit Luftmatratze und Taucherausrüstung, als wollte er es uns selbst überlassen, an der Oberfläche zu paddeln oder in die Tiefe zu dringen.