Anhand der Mundart-Ausgaben lassen sich einige interessante Thesen aufstellen.
1. Eine anerkannte Mundart liegt dann vor, wenn es einen entsprechenden Asterix-Band dazu gibt. So ist beispielsweise das Burgenländische nicht interessant genug für eine eigene Ausgabe.
2. Trotz aller Mundartpflege gibt es ein dogmatisches Ranking, indem der Verlag bestimmt, wer für die jeweilige Mundart der Patron ist und die Oberhoheit hat.
3. Nicht die Fähigkeit zur Mundart bestimmt den Übersetzer, sondern sein literarischer Marktwert.
4. Der Mundart-Platzhirsch regelt de facto sprachliche Zweifelsfälle. Was beispielsweise Mitterer als Übersetzung schreibt, gilt in Zukunft als das Parade-Tirolerisch, an das sich Mundartdichter zu halten haben.
5. Das Publikum kauft nicht in erster Linie Asterix, sondern die Übertragung von Dr. Kurt Ostbahn, H. C. Artmann, Reinhard P. Gruber und Felix Mitterer.
6. Gerüchtehalber sollen Gerätehersteller ihre Gebrauchsanweisungen bereits von Mundartdichtern übertragen lassen, um in der jeweiligen Mundartregion den Absatz anzukurbeln. Durchaus denkbar, daß sich jemand einen Video-Recorder wegen der Gebrauchsanweiseung von H. C. Artmann kauft.
7. Als logischer nächster Schritt ist die Entwicklung eines Mundart-Handys geplant, das Gespräche in Gruber- oder Mitterer-Qualität sendet und empfängt.
Einige Anmerkungen zu den einzelnen Bänden:
Die Episoden aus dem Asterix-Kosmos laufen mehr oder weniger nach dem gleichen Strickmuster ab. Eine feindliche oder bloß ferne Macht verliert in der Provinz ihren Einfluß. Und wie bei Widerstandskämpfern üblich, muß daher das Feindbild täglich geschürt werden, wenn der Held seinen täglichen Auftritt haben will.
Da grosse Grobn (Kurt Ostbahn)
Es gibt kein Vorwort des Übersetzers, dafür vier Spalten Erklärungen unter dem Motto: „Wos haasst des?“ In der Episode geht es um einen großen Graben, der einen kleinen Ort durchzieht, wie ja oft ein sprichwörtlicher Graben durch die Gesellschaft geht. Mit viel Schmäh gelingt es, den Graben mit Wasser zu füllen, so daß alle Fließwasser haben.
Da Woasoga (Kurt Ostbahn)
Ein aus der Sendung „Vera“ entsprungener Druide kann aus dem Hopfentee die Zukunft lesen. Endlich glaubt man, ein geeignetes Mittel gegen die Römer zu haben. Aber der Plan der Geschichte ist eben letztlich doch mächtiger als die Deutungen von sogenannten Wahrsagern.
Da Legionäa (H. C. Artmann)
Schon am Umschlag fällt auf, daß Asterix jetzt bei Artmann „ret“ und nicht mehr wie bei Kurt Ostbahn „redt“.
H. C. Artmann gibt auch gleich den neuen Kurs an: „geneigte lesa, jetzt is aun da zeid, das s eich auschdrenkts und kabiats wia ma r a normale umgaunsschrboch oatografisch richtich schreibt.“ Die Story selbst hat Bundesheer-Niveau, Asterix und Konsorten verdingen sich an die römische Armee. Zum hohen Armee-Niveau gesellt sich noch die Einfalt der Gallier, es ist alles sehr lustig.
Asterix und da Aweanaschüld (R. P. Gruber)
Schade, daß R. P. Gruber nicht in der Rechtschreibreform-Kommission gesessen ist, wir hätten es jetzt alle viel leichter. „Olsou aufpassn ban Lesn (oba des hobts souwisou glai): Olle Buchschtaam, dei neit gschprouchn wean, wean aa net gschriim: es gib ka schtummes ‚h‘, ka launges ‚ie‘, ka ‚c‘ kan ‚ck‘, ka ‚tz‘, ka ‚r‘, des ols ‚a‘ gschprouchn wiad (neit ‚wird‘, soundan ‚wiad‘, e kloa, oda?)“. Der „Aweanaschüld“ ist ein Awarenschild, der bei einem Kleingemetzel verloren gegangen ist, aber als Kriegsfetisch ungeheuere Bedeutung erlangt.
Obelix und das groaße Gschäft (Felix Mitterer)
Der Titel ist durchaus zweideutig zu nehmen, denn das „groaße Gschäft“ bedeutet auch die große Notdurft, die in den Alpen meist mit Geschäften einhergeht. Man denke nur an den Ausdruck „jemanden bescheißen“. In dieser Episode erfährt der Leser alles über die Wirtschaft, über Angebot und Nachfrage, über Sinn und Mehrwert von Waren und Dienstleistungen. Die Strategien, mit denen Obelix den Römern Hinkelsteine andreht, erinnern an Tiroler Fremdenverkehrs-Ideologien, in denen Gästen das sogenannte Zweitbett für alle Fälle angedreht wird. Felix Mitterer erklärt, daß das Volk im Oberland hart und im Unterland weich jeweils wie die Landschaft sei, was einfach nicht stimmt. Als Ausgleich bietet er eine Misch-Sprache an, eine McMundart gewissermaßen. Die Sprechblasen sind in Plazierung und Größe ohnehin schon durch das französische Original vorgegeben. Wenn Mitterer jetzt pro Blase einen angeblich mundartlichen Kraftausdruck hineinpreßt, so kann man sich ausmalen, unter welchem Druck diese Blasen stehen.
Am interessantesten ist der Dialekt beim Kichern, wo seltsamerweise die Tiroler wie im französischen Original „Hihi“ und „Pipi“ machen. Ein Mini-Glossar und der Ausriß aus der Landkarte der Mundart beschließen diesen Asterix, der eigentlich ein Obelix ist.