Dieser passt zu Johann Kaiser, dessen Lebensgeschichte wir gespannt und fasziniert verfolgen. Ja, die vielen Seiten lesen sich großartig, mich hat ein eskapistisches Lesen erfasst, hervorgerufen durch den brillanten Einsatz erzählerischen Handwerkszeugs. Benjamin Quaderer hat Literarisches Schreiben in Hildesheim und Wien studiert und setzt das Gelernte gekonnt ein. Er spielt ausufernd mit Textsorten, Verfahrensweisen des Schreibens, Perspektiven und der Glaubwürdigkeit des Erzählers. Wir freuen uns über eine Vielzahl literarischer Anspielungen von Platons Höhlengleichnis über Hebels „Unverhofftes Wiedersehen“ bis zu Hofmannsthals Chandos-Brief und raffinierte Deutungen berühmter Bilder aus der Kunstgeschichte. Bemerkenswert ist, dass der Text dabei nicht sperrig, anstrengend und unzugänglich wird.
Der Erzähler heißt also Johann Kaiser. Der Kriminalpsychologe Jan Mayer notiert über ihn in seinem Notizheft und interpretiert (hier nicht zitiert) einfühlsam und bewundernd Kaisers Biographie als Tragödie: „1965 als Sohn einer Spanierin und eines Liechtensteiners geboren. Zwillingsschwestern. […] Anfang der 70er-Jahre: Die Mutter verschwindet, worauf die Kinder in Obhut eines Waisenhauses gegeben werden […] Kurz vor seinem vierzehnten Geburtstag reist er nach Barcelona. Er lernt Carl und Renata Tobler kennen, die ihn zwanzig Jahre später in Argentinien gefangen halten > auslösendes Moment. Laut Auskunft Hans-Adams II. ist es seine eigene Mutter, die verstorbene Fürstin, die den Ausreißer 1981 bei seiner Rückkehr am Bahnhof abholt.[…] Lehre in einem Reisebüro. Nach Abschluss der Ausbildung verliert sich seine Spur für drei Jahre. Schlüsselmoment? Was geschieht in jener Zeit? Danach: Anstellung bei Swissair. Das erste eigene Geld, Freiheit, Mobilität. […] Bis zum Jahr, in dem er nach Eigenaussage ›gefoltert‹ wird, scheint er in Spanien zu leben, ehe er sich ab 1998 ein weiteres Mal im Kleinstaat niederlässt. Die Verfolgung des ›Verbrecherehepaars‹ hat jetzt oberste Priorität. […] Unverständlich, dass man einem Menschen mit seiner Vorgeschichte den Zugriff auf das Innerste des Liechtensteiner Bankwesens gewährt.“
Johann Kaiser ist als Steuerdatendieb Staatsfeind Nummer 1 in Liechtenstein und versteckt sich in einem deutschen Zeugenschutzprogramm. Sein Name ist Anspielung auf Franz Kafkas Josef K. und den Liechtensteiner Bankangestellten Heinrich Kieber, der mutmaßlich den deutschen Behörden die Daten von Steuerhinterziehern zugespielt hat.
„Für immer die Alpen“ ist so ein Zeitroman, die Geschichte eines Hochstaplers, der in Barcelona als Sohn des bekanntesten Liechtensteiner Industriellen auftritt und sich auch nicht scheut, sich mit Jesus Christus gleichzusetzen, ein Thriller, eine Darstellung der Liechtensteinischen Landesgeschichte. „Ja, der Kleinstaat war vielleicht Finanzplatz, aber er war auch Himmel und Wolken und Berge. Er war Mamá […]“
Der Roman, der (wie viele Kreuzwege) aus 15 Büchern besteht, spricht drängende Probleme der Gegenwart an. Der einzige Einwand gegen das Buch ist, dass in all seiner Verspieltheit und Fabulierlaune die Ernsthaftigkeit der Fragestellungen verloren geht und es so keine Axt für das gefrorene Meer in uns wird.