Burlesk, pittoresk, grotesk … Die drei Abschnittsüberschriften (interessanterweise alle drei aus dem Italienischen abgeleitete Lehnwörter, die in der Ursprungssprache aus den Wörtern für Scherz, Malerei und Höhle gebildet wurden) sind nur bedingt als Wegweiser geeignet und jedenfalls keine Schubladen, in die Petrik Themen und Töne feinsäuberlich abgelegt hätte.
Wie schon in früheren Gedichten zeichnet auch die neuen Texte oft ein collageähnliches Schreibverfahren bzw. Schreibergebnis aus. Unter anderem wird in BURLESK ein Promi durch einen dem Thema angemessenen Kalauerkakao gezogen. Mascherl und Lackschuh, Society und Pseudokultur kriegen ebenfalls ihr Fett ab. Böse Texte sind das, deren Bitterkeit auch vor der Autorin nicht halt macht.
Und dann ein anderer Ton, eine andere Stimmung. Nach zwei Elfriede Mayröcker gewidmeten Texten (… leuchtest voraus ins mühelos der worte …) lesen wir unter dem Titel (nichts mehr): jetzt, wo ich die letzten toten/ dem heimatboden überließ/ will ich drei nächte wachen/ sehen, ob mir was bleibt// die erste bringt ein regenmeer/ die zweite treibt mir eine krücke her/ die dritte hält in frostiger hand/ jene laterne/ die ich als kind gekannt -/ was brauch ich mehr.
Das Stakkato früherer Lyrik schlägt oft durch, doch alles in allem wird weniger „gerappt“ und mehr gesungen, wenn der Vergleich gestattet ist. Mehr geflüstert auch – und laut aufgeschrien zuweilen. Trotz harter Realitäten, klarer Benennungen überrascht dann manchmal ein traumhaftes Verschwimmen, ein Flirren und Verwirren, das sich buchstäblichen Deutungen in den Weg stellt. „Technisch“ fallen Reime und Assonanzen auf, wobei die Reime sich ganz und gar nicht als anachronistische Behübscher sondern eher als Spottverse (… die vespa schrott/ wegen sechs krügel bock …) gebärden, besonders im letzten „grotesken“ Teil.
Ironie und Sehnsucht, Wehmut und Horror wechseln sich quer durch das Buch ab und so erfüllen auch die verwendeten Stilmittel wie Zeilenumbrüche, Klammerausdrücke etc. je nach Grundstimmung unterschiedliche Aufgaben.
Besondere Bedeutung kommt geografischen und historischen Koordinaten zu. Alte Kulturräume und drohende Kulturuntergänge, Naher und Ferner Osten – Dine Petrik, immer schon von Archäologie fasziniert, aber auch scharfsinnige Beobachterin heutiger globaler Entwicklungen, seismografiert Veränderungen, nimmt Bezug auf Mythen, stellt archaische Überhöhung neben private Anekdoten. Ein großes Wissen und Wissenwollen speist den Fluss ihres Schreibens, doch die Gedichte kommen nicht enzyklopädisch daher, der poetische Atem verwandelt und bindet ein: wir sind schon hier gewesen/ sahen uns als unverwundbar/ bis das perlmuttcape unserer/ rücken brach: flutwellen/ warfen uns an die ufer/ nackt ehe die zeit anfing (aus: (früher als))
Besonderen Eindruck hinterlassen auch die Gedichte, die Kindheit und Heimat gewidmet sind. Deren letztes und auch das letzte dieses Buchs trägt den Titel (lach nur) und beginnt mit der Strophe: meine erinnerung an dich -/ den letzten blick warfst du mir/ von oben herab/ als schweren sack um den hals/ vom lastwagen oben/ die TBC-marke im rechten ohr/ dein passagierschein zur schlachtbank/ glitzerte in der sonne (…)
Ein bemerkenswert dichtes Buch, das auf knappem Raum einen weiten Bogen spannt.