Felix Mitterer erzählt in seinem neuen, im Sommer 2001 bei den Tiroler Volksschauspielen in Telfs uraufgeführten Stück vom Aufstieg und Fall Gaismairs. Michael Gaismair wurde um 1490 in Tschöfs bei Sterzing in wohlhabenden Verhältnissen geboren. Er arbeitete sich vom Schreiber im Bergbau und der Landesverwaltung bis zum Sekretär des Fürstbischofs von Brixen empor. Als 1525 in Brixen der Bauernaufstand voll entbrannte, wurde der mit Diplomatie vertraute Gaismair, der auch zuvor schon oftmals Kritik an den herrschenden Verhältnissen geübt hatte, von den Aufständischen zum „Obersten Feldhauptmann“ gewählt. Gaismair verkündete seine visionäre, egalitäre Landesordnung und wirkte mäßigend auf die revoltierenden Kräfte ein. Die Bauern erreichten die Einberufung eines Landtages in Innsbruck, wo eine zu ihren Gunsten verbesserte, im Ausland viel beachtete Landesordnung beschlossen wurde. Der Erfolg währte aber nur kurz – der Tiroler Regent Erzherzog Ferdinand hatte mit den Verhandlungen auf Zeit gespielt und in der Zwischenzeit Geld und Kräfte gesammelt, um konzentriert gegen die Bauern vorgehen zu können. Tatsächlich schlugen Ferdinands Söldner den Aufstand nieder. Gaismair wurde nach Innsbruck gelockt, verhört und ins Gefängnis gesteckt, aus dem er erst nach Wochen fliehen konnte. Er setzte sich in die Schweiz ab, kämpfte später an der Seite aufständischer Salzburger Bauern und setzte sich schließlich, als er realisiert hatte, daß die Tiroler Bauern nicht ein weiteres Mal zu einem Aufstand zu bewegen waren, nach Venedig ab, wo er in die Dienste des Dogen trat und gegen die Habsburger kämpfte. Als Venedig 1529 mit den Habsburgern Frieden schloß, zog sich Gaismair, der letzten Hoffnung entledigt, in Tirol eine demokratische Bauernrepublik zu etablieren, auf ein Landgut in der Nähe von Padua zurück. Nach vielen mißlungenen Attentaten wurde er schließlich am 15. April 1532 von Auftragsmördern erstochen.
Die Revolution war endgültig gescheitert, der geistliche und der weltliche Tyrann – der Fürstbischof von Brixen und Erzherzog Ferdinand – hatten im Verein die Oberhand behalten. Triumphierend hält Gabriel Salamanca, der Kanzler des Erzherzogs, am Ende von Mitterers Stück den Kopf Gaismairs in der Hand: Niemand kann verlangen, was Ihr verlangt habt, Michael Gaismair. Niemand. Nie und nimmer.
Mitterers Stück hält sich ziemlich genau an die historischen Fakten. In 21 eindringlichen, derben, anschaulichen Bildern erzählt es chronologisch das Leben Gaismairs. Mitterer hat versucht, einzelne Konflikte der dramatischen Wirkung wegen zu überhöhen und zuzuspitzen und hat die Handlung an wenigen Figuren festgemacht.
Es ist die Crux des historischen Dramas, auf der einen Seite zur Vereinfachung, zur Simplifizierung zu neigen, auf der anderen Seite sich nicht langweilig in den historischen Fakten zu verlieren. Ist das historische Drama überhaupt noch zeitgemäß? Wäre nicht der Film das dem Stoff entsprechende Medium? Mitterer war sich dieses Problems bewußt – der im Vergleich zu Andreas Hofer niedrige Bekanntheitsgrad von Gaismair und sein nur dürftig dokumentiertes Leben haben dem Autor aber den Freiraum geboten, den er braucht, um diesen Stoff auf die Bühne bringen zu können.
Daß Gaismair nicht in die Historie einging, ist nicht verwunderlich, hatten doch weder die Habsburger, gegen die er gekämpft hatte, noch die Kirche, deren weltlichen Einfluß er minimieren wollte, ein Interesse, seinen Namen im kollektiven Gedächtnis zu bewahren. Die Versuche der Nazis, Gaismairs Kampf gegen den Juden Salamanca für sich in Anspruch zu nehmen, und der Kommunisten, die sich auf Gaismairs Forderung, die individuellen Interessen hinter die der Gemeinschaft zu stellen, stürzten, taten ein Übriges, um Gaismairs Namen in Vergessenheit zu halten.
Erst seit den 50er Jahren erfolgte eine objektivere Beschäftigung mit dem Tiroler Freiheitskämpfer, 1976 wurde schließlich die „Michael-Gaismair-Gesellschaft“ gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, über und durch Gaismair aufklärerisch tätig zu werden. Auch Mitterers Stück versteht sich als Teil dieses Aufklärungsprozesses. Sein Nachwort, das die Entstehungsgeschichte schildert, sowie der Aufsatz des Gaismair-Biographen Michael Forcher fügen sich mit der Druckfassung des Stücks zu einem erhellenden Ganzen und machen das Buch zu einer lesenswerten Lektüre.