#Sachbuch

Gebrauchsanweisung für Polen

Radek Knapp

// Rezension von Sabine Dengscherz

„Fahren Sie nach Polen. Ihr Auto ist schon dort.“ Wie geht es einem Polen mit diesem Witz? Wenn er Radek Knapp heißt, als Schriftsteller in Wien lebt und vom Piper-Verlag beauftragt wurde, eine „Gebrauchsanweisung“ für sein Heimatland zu schreiben, dann offenbar nicht so schlecht. Schließlich lässt er sich ja umdichten. Und dann lautet es schon recht freundlich vom Klappentext: „Fahren Sie nach Polen. Ihre Seele ist schon dort.“
Und wer sich auf die slawische Seele einlässt, wird auf den nächsten Seiten erfahren, wozu Wodka wirklich gut ist, was es mit dem Warschauer Kulturpalast auf sich hat, und warum Touristen in Polen auf Händen getragen werden – wenn man ihnen nicht gerade die Krawatte abschneidet.

Radek Knapps Gebrauchsanweisung für Polen ist der jüngste Band in der Reihe des Piper-Verlags „Gebrauchsanweisung für …“. Erschienen sind unter anderen bereits ein Band von Paul Watzlawick über Amerika, einer von Jiri Grusa über Tschechien und fast vierzig andere über alle Welt und vor allem ihren Nabel: Europa. Die Reihe wendet sich an Reise- und Leselustige, die gerne etwas über die Welt im Allgemeinen bzw. ihr Reiseziel im Besondern erfahren möchten, und denen konventionelle Reiseführer aber zu oberflächlich, literarisch anspruchslos, Sehenswürdigkeiten-lastig oder schlicht und einfach zu langweilig sind.

Radek Knapp war sicherlich eine gute Wahl gegen Fadesse jeglicher Art. Spätestens seit „Herrn Kukas Empfehlungen“ wissen wir nicht nur, dass er schreiben kann, sondern das auch noch schreiend komisch. Und Komisches zu beobachten gibt es natürlich, wie überall auf der Welt, auch im Heimatland, was Knapp betrifft also in Polen. Und seine Komik hat durchaus etwas Liebevolles.

Mit dem Blick eines gewesenen Insiders, der Abstand gewonnen hat, und jenem eines geschulten Beobachters, der es gewohnt ist, seine Einsichten süffisant zu formulieren, nimmt er sich Polens an, des größten EU-Beitrittslandes der Erweiterungswelle 2004. Er unternimmt Streifzüge in die Geschichte und durch die Straßen, auf denen mittlerweile so viele teure Autos fahren, dass es für das mehr oder weniger organisierte Verbrechen durchaus reizvoll wird, den Polen ihre Autos zu klauen. Dann wird’s wohl neue Witze geben.

Die viel zitierte Rückständigkeit Polens zeigt sich übrigens nicht zuletzt in ihrem Umgang mit Fremden. Während der letzte Schrei – etwa hierzulande – dahingehend lautet, Ausländer sollten lieber in ihr Inland reisen, freut man sich in Polen über jeden Nicht-Polen. Radek Knapp warnt deshalb Reisende eindringlich davor, „einheimisch“ zu spielen; nur in seiner Fremdheit ist der Fremde auch wirklich exotisch und interessant, so richtig was Besonderes. Und hält man sich brav an den Tipp, hilflos und ausländisch zu tun, dann wird man in Polen auch ganz was Besonderes erleben: die polnische Gastfreundschaft. Ein Klischee, das nicht demontiert werden soll. Es ist nämlich kein Klischee, es ist die Wahrheit.

Ironisch und einfühlsam gleichzeitig lotst Radek Knapp uns immer weiter in die Geheimnisse des Landes. Nach der Lektüre des Bändchens sind wir sicher noch immer keine Polen-Experten, aber wir haben uns auf das Land nicht nur mit dem Verstand eingelassen, und schon gar nicht auf einer Ebene der hard facts oder gar der Tourismuswerbung. Dass es uns am Ende erst recht reizt, (wieder) einmal hinzufahren, ist kein Wunder: schließlich wendet sich Radek Knapps Gebrauchsanweisung für Polen an Polen-Fans und alle, die es werden wollen.

Radek Knapp Gebrauchsanweisung für Polen
Reisebericht.
München: Piper, 2005.
154 S.; brosch.
ISBN 3-492-27536-2.

Rezension vom 13.07.2005

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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