#Lyrik

gedankenhorden

c. h. huber-tyrol

// Rezension von Helmuth Schönauer

gedankenhorden ist eine wohl-komponierte Zusammenstellung von vier Gedichtzyklen. Man merkt den Gedichten gleich an, daß sie erst nach Begutachtung und entsprechender Kontrolle durch die Autorin für die Sammlung ins Auge gefaßt worden sind.
Der luftige Druck mit großem Zeilenabstand verstärkt das Gefühl, daß hier ein einheitliches Gedicht-Ensemble für das Publikum errichtet worden ist. Dem wilden, ungeordneten Begriff „Horde“ steht ein gezähmtes, durchstruktiriertes Gedichteprogramm gegenüber.

Der erste Gedichte-Zyklus darf den Titel des Gesamtbuches tragen und bringt „horden-haft“ Erlebnisse und Reflexionen zum Literaturbetrieb aufs Tapet. Da bekanntlich Gedichte untereinander korrespondieren wie Schriftsteller, besteht der Reiz dieses Abschnittes darin, wie Gedichte mit dem gleichen Ehren-Maß lokale Schriftsteller und Schriftsteller von Weltformat würdigen. Die hohe Erlebnisform des Gedichtes und der teilweise recht dürftige Erlebniswert der regionalen Literatur ergeben ein passables Spannungsfeld. Ein Gedicht, das „dem schrott“ benannt ist, verschafft sich Eintritt in die permanente Erinnerung durch das Wortspiel mit Schrott als Eisenabfall und Schrott als Schriftsteller, der die „Erfindung der Poesie“ publiziert hat.

Unter dem Titel „herzatem“ sind in der Hauptsache Verhaltensweisen und generelle Erlebniszustände angesprochen. Vom Dornröschenschlaf über Wut, Gelassenheit und einem Gemüt, das zwischen Himmel und Hölle eingepreßt ist, werden die Empfindungs-Farben in den Vordergrund gestellt. „[..] wie ist es nur möglich / gelassen zu sein / mich nicht mit dem / schwarz zu verlieren / das mir verwintert / den märz? (S. 38)
Bemerkenswert durch den Takt, der auch graphisch umgesetzt ist, klingt das Gedicht von der Maschinenfrau, die in allen Belangen funktionieren soll wie der sprichwörtliche Otto-Motor mit Einspritzung. So läuft die Liebes-Maschine – oder eben nicht.

„zeitverstecke“ spielt auf Reiseerlebnisse und Zeit-Nischen während des Jahresumlaufes an. Die Reisegedichte sind sicher der Höhepunkt der Sammlung, hier werden Stimmung, Phantasie, Prospekt und Realität zu knappen Logbuch-Eintragungen zusammengeballt. Der persönliche Filter gibt den Prospekten griechischer Inseln ein individuelles Licht, gleichzeitig bleibt für den Leser genügend Raum, die eigenen Vorstellungen und Erlebnisse an den jeweiligen Verknüpfungspunkten unterzubringen. Eine Besonderheit stellen schließlich die „lokalen Weltgedichte“ dar, wenn durchaus ironisch der Natterer See mit dem Hauch des Ozeans besungen wird. In diesen heroischen Gedichten des Hinterhofs ist es befreiend, dem Ton der Travestie zu lauschen.

Der letzte Zyklus „hide and seek“ beherbergt Gedichte, die sich mit dem oszillierenden Zustand zwischen Schein und Sein, Trance und Betrübnis, Traum und Realität beschäftigen. Hier geht es Floskeln an den Kragen, Beziehungskisten werden die Nägel gezogen, allgemein herrscht entlarvende Aufräum-Stimmung. „wiegehts / danke besondersgut / teils bescheiden / teils beschissen“ (S. 85)

Besonders hoch anzurechnen ist der Autorin die Nonchalance, mit der sie die Patina von lyrischen Fügungen kurzfristig aufpoliert, damit der Leser keinen schlechten Eindruck hat. Darüber hinaus ist die lyrische Ironie eine gute Wegbegleiterin, die den einzelnen Gedichten immer wieder zu einer unerhörten Dimension verhilft. C. H. Hubers gedankenhorden sind für den Leser durchaus angenehme Gäste.

c. h. huber-tyrol gedankenhorden
Gedichte.
Wien: Edition Doppelpunkt, 2000.
89 S.; geb
ISBN 3-85273-074-0.

Rezension vom 07.08.2000

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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