Um dieses Hauptwerk sind in der Gesamtausgabe Friedrich Ch. Zauners die beiden Erzählungen Scharade und Bulle positioniert. Beide Erzählungen berichten von scheinbar unauffälligen Helden, bei denen mitten im Leben plötzlich die Zeit stehen bleibt und zu einer kompakten Geschichte ausartet.
In Scharade wacht ein Galerist, der sich in einer entlegenen Gegend von seiner Ehe durch Fischen erholen soll, mit einem der schwersten Schädel der Literaturgeschichte auf. Die Lebensgeister des Galeristen Langheim und das Interesse des Lesers werden in einer Parallelaktion aufgebaut, mit jedem Schluck, an den sich der Held allmählich erinnern kann, wächst im Leser die Neugier, diesen Menschen kennenzulernen.
Langheim ist der Prototyp eines relaxenden Urlaubers, der aber – auf dem Weg von sich selbst – überraschend zu sich selbst findet. Von einem Bild ausgehend, das der Galerist als sogenannter Bilderfachmann erst spät entdeckt, tastet er sich an die Grenzen der Kunst heran. Der Maler des Bildes lebt noch, hat sich aber gegen die Realität abgeschottet. Zu allem Unglück baut man ihm noch eine Straße über sein Refugium, wie um ihm zu beweisen, daß unsere Gesellschaft auf Beton aufgebaut ist und nicht auf Kunst. Geläutert und mit sich selbst bekannt gemacht, wie das bei Kleist heißt, fährt Langheim wieder ins Leben und zu seiner Frau zurück. Und wie alle Geschichten spät-pubertierender Männer wird die Geschichte kauzig lächerlich, wenn sie absolviert ist.
Friedrich Ch. Zauner hat in diesem Text alle Themen und Verfahrensweisen seines Hauptwerkes zum Anklingen gebracht. Es geht um die angebliche Idylle im ländlichen Raum, um das Verhältnis Kunst und Natur, und um die „Nachreifung“ eines Helden durch eine melancholische Begebenheit.
Auch der Bulle beginnt seinen Tag mit einem sagenhaft schweren Kopf und Erinnerungslosigkeit, die sofort an das Mitleid des Lesers appellieren. Aber Bulle hat sich nicht niedergesoffen, er ist nämlich Rad-Profi, und er liegt in Trance wegen seiner Medikamente, die er zur Ausübung seines Sportes braucht. Erzählt wird die entscheidende Kampf-Phase einer Sizilien-Radrundfahrt, und das Hauptereignis heißt Müdigkeit. Bulle befürchtet, ein Leben lang von der Müdigkeit niedergedrückt zu werden. Für einen Profi ist er schon steinalt und geht auf die vierzig zu.
In verschiedenen Etappen erleben wir den immer gleich müden Bullen, mal wird das Rad müde, mal die gesamte Landschaft. Immer wieder tritt der Held während des Rennens in diverse Erinnerungsräume ab, wir erleben den Kampf mit dem Elternhaus, als es um die Berufswahl ging, verschiedene Sportarten werden gewürdigt und auf ihre Müdigkeit hin untersucht, mittendrin wird das Rad zu einer Frau, auf der Bulle dem Etappenziel entgegenradelt, selbstverständlich unter großer Mühsal.
Gegen Ende tritt der Held mit einem famosen Sturz hinter die Büsche und bleibt verschwunden. Das Interesse der Öffentlichkeit ist nämlich sofort auf den Führenden übergegangen und hat Bulle noch während seines Sturzes vergessen. In dieser ironisch-tapferen Sportlergeschichte stecken alle Zutaten für eine Entzauberung von Heldentum und Heroen Marke Eintagsfliege. Bulle ist ein großes Kind, das in den Pedalen der Männlichkeit dem eigenen Ende zuradelt. Auch Bulle muß in erster Linie als Held „nachreifen“, Sturz und lange Atempause mit Schürfwunden lassen auf Besserung hoffen.
Die Helden dieser beiden Erzählungen von Friedrich Ch. Zauner sind äußerst sympathisch, weil sie sich dem Leser niemals anbiedern. Umgekehrt ertappt sich der Leser manchmal, wie er den Helden Erste Hilfe anbieten will, anstatt sich selbst damit zu versorgen.