„am haken / mein kleid // weiß / segel // im rhythmus des / sommers / eine fliege // das surren / von rädern / auf asphalt // absatzklappern / und // leises kentern // der stimmen / siesta.“
Ganz ohne lokale Referenz kommen freilich auch diese Zeilen nicht aus, aber sie ist doch sehr allgemein gehalten.
Ähnlich auch in dem folgenden Gedicht, wo wieder die (auch sprachliche) Genauigkeit besticht, mit der Julia Rhomberg eine spezifische jahreszeitliche Qualität erkundet:
„wolkenregatten am wellenkamm / des karwendels // das kommen und gehen der lichtschatten / hinterm bug der augenlider // im dickicht der tagträume / lispelnde gräser // entfernungen ins grün / ins blau // sommer //“
Besonders im ersten Teil des Bandes mit dem Titel „januarfluss“ finden sich jedoch allzu sehr am Speziellen und (vermutlich) kulturell Interessanten orientierte Gedichte, die mit ihrer Lokalisierung in Brasilien zweifellos das Fremde und Besondere suchen, dabei aber oft zu bloßen kulturellen Fast-Food-Häppchen verkommen:
„wie auf einem plattencover / der 60er jahre jugendliche an der / copacabana // zwischen meer und asphalt / der avenida atlântica vor / palmen ein panorama wie im james / bond film / helikopter auf dem weg zu den // inseln der hautevolee und der / zuckerhut am ende der bucht.“
So die erste Strophe eines Gedichtes, das – es grüßt Raoul Schrott – am Schluss noch entstehungsgeschichtlich in „rio de janeiro“ verortet wird. Leider kommt bei solcher Multi-Kulti-Poesie gerne letztere viel zu kurz, nämlich die Poesie, das Poetische.
Enttäuschend letztlich auch das Gedicht „türkisches geschäft“, dessen Titel so vielversprechend klingt, in dem jedoch einzig klingende Wörter wie „halwa“ und „mispeln“ den Leser aufhorchen lassen und in dem höchstens in den zwei finalen Strophen andeutungsweise die Aporien der Interkulturalität aufblitzen:
„kopftuch und jeans / spannen / den bogen // zwischen den / augenbrauen / der mütter“
In einem der letzten Abschnitte des Bandes versucht sich Rhomberg unter dem Titel „su balconcini / auf winzigen balkonen“ an Gedichten, die jeweils auf Italienisch und auf Deutsch verfasst sind. Gerhard Kofler hat diesen Brauch in die österreichische Literatur eingeführt und darin bereits ein Level erreicht, das von der Autorin höchstens gestreift wird. Die plane Übersetzung der Gedichte, die weder lexikalisch noch redensartlich irgendwelche Differenzen zwischen dem Italienischen und dem Deutschen offenbart, wirkt irgendwie redundant, auch wenn der des Italienischen nicht mächtige Leser vermutlich dankbar für sie ist. Immerhin gelingt es Rhomberg die Klanglichkeit des Italienischen zu transportieren und damit ihren Gedichten ein neues klangliches Substrat zu verpassen.
Dass der Rückgriff auf die Sprache des Landes gar nicht notwendig ist, um seine spezifische Qualität zu vermitteln, führt die Autorin überdies selbst in einem ihrer Gedichte vor, das sich dem klischierten Topos Venedig widmet und dabei die Materialität dieser Stadt vor allem in Form von Stoffen, Textilien einfängt. Dass dabei allerdings vordergründig ein „venedig in büchern“ entsteht, das mit dem wirklichen Venedig nicht allzu viel zu tun hat, gesteht der letzte Vers ein:
„abendglanz über / den kuppeln // in gold ein gobelin / die stadt bestickt mit // damen und dogen / schiffsveduten // standartenträgern / motorenrauschen // auf treppen und brücken / hundegebell // die palazzi prächtig / brokatschwer // und ein wenig / modrig das meer // um halb eins reißt / der mond ein // loch in den saum // schlafenszeit / venedig in büchern.“
Zweifellos umreißt Rhomberg mit diesen paar Zeilen ein Venedig, wie wir es aus Büchern, Filmen und Fotographien kennen. Literatur, Lyrik könnte sich aber um ein Venedig bemühen, wie wir es noch nicht gesehen haben.