#Theater

Grinshorn und Wespenmaler

Margret Kreidl

// Rezension von Helmuth Schönauer

Der Ausdruck „Heimatdrama“ löst in Gegenden mit starker Heimatbezogenheit einerseits Fröhlichkeit und spontane Zustimmung aus – daß hier ein Stück Heimat als solche angesprochen und aufgeführt wird; vorsichtige Heimat-User entwickeln andererseits angesichts der Dramen, die Tag für Tag auf den Heimatbühnen aufgeführt werden, eine gewisse Wachheit für die Wirklichkeit.

Die vierunddreißig Heimatdramen Margret Kreidls freilich sind leichte, lucid aufklärende Duell-Dialoge, die mit dem Material einer fiktiven Heimat umspringen wie Insekten mit der unversehrten Botanik. Die beiden Protagonisten Grinshorn und Wespenmaler haben vielleicht den Charme von Vladimir und Estragon in „Warten auf Godot“, und auch ihr Programm ist ähnlich, sie warten auf die Heimat und vertreiben sich die Zeit mit Ritualen der absurden Art.

Schon das erste Drama stellt den Mythos der Heimatverteidigung zur Diskussion, Grinshorn im Tarnanzug und mit Spritzpistole bewaffnet und Wespenmaler, der mit einer Leberkässemmel ins Duell zieht, liefern sich ein kurzes Wortgefecht, das für das Arbeiterkind Wespenmaler schlecht ausgeht.
In einem anderen Abeteuer wird Grinshorn niedergestochen – an der Leber, die gleichermaßen Alkohol- wie Heimat-anfällig ist. Er stirbt, kann aber als echter Held im nächsten Drama wieder mitspielen.
Und auch das allgegenwärtige Handy kann ein Drama auslösen, da es von keinem Helden der Welt abgestellt werden kann.

Alle Dramen schwanken zwischen schwerem Schicksal und salopper Leichtfertigkeit im Umgang damit, die Dialoge sind knapp gehalten, es bleibt nicht viel Zeit, das Ungeheuere auszusprechen oder gar auszuschmücken. Gleichzeitig sind die Themen oft abseitig angesiedelt und die Proportionen zwischen Inhalt und Form seltsam verzerrt. Grinshorn und Wespenmaler erklären zwischendurch die Peripherie zum Zentrum, wodurch so etwas wie eine neue Weltordnung in der Provinz entsteht.

Margret Kreidls Dekonstruktionen von Heimatdramen sind geheime Aufforderungen zum Widerstand gegen die allgegenwärtige Inszenierung von Nonsens. Die kleinen Stücke von Wespenmaler und Grinshorn schaufeln mit der Zeit einen unerwartet breiten und ironischen Weg frei für die Erkenntnis, daß in Wirklichkeit alles ganz anders ist mit der Heimat.

Margret Kreidl Grinshorn und Wespenmaler
34 Heimatdramen.
Wien: Das fröhliche Wohnzimmer, 2001.
37 S.; brosch.
ISBN 3-900956-59-6.

Rezension vom 02.01.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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