Korosa blickt hinter die Fassaden der so genannten Anständigkeit, beschreibt das Funktionieren geschlossener Gesellschaften (im Dorf, im Wohnblock, in der Linzer Boheme) und zeigt auf, wozu „der kleine Mann“/ „die kleine Frau“ fähig sind: ein Vater, von Beruf Mesner, verbietet seiner Tochter die Heirat mit einem Geschiedenen und lässt sie so irre an der Welt werden; eine Mutter heißt es gut, dass ihr Sohn die von ihm geschwängerte Frau ermordet, damit einer Heirat mit der reichen Wirtstochter nichts im Wege steht; eine Linzer Hausgemeinschaft mag die Ehefrau eines Wohnungsinhabers nicht akzeptieren, weil der doch eine bessere Partie verdient hätte.
Die Frauen, von denen Korosa erzählt, stammen meist aus einfachen Verhältnissen und sind leidgeprüft. Nur wenige von ihnen zeigen sich widerständig wie etwa die Bachleitnerin, die – weil sie einem Kriegsgefangenen ein Stück Brot zugesteckt hat – nach Ravensbrück deportiert und dort von einem Nazimädchen – „blond, groß, blaue Augen, Puppengesicht“ (S. 82) – zu Tode getreten wird.
Das Gros der älteren Frauen, von denen die Rede ist, hat resigniert. Sie sind zu stark in Abhängigkeiten befangen, um einen Ausbruch zu wagen. Sie arbeiten in der Landwirtschaft ihrer Männer oder Väter, fügen sich, so gut sie können, in ihr Schicksal. Nur in Ausnahmefällen, wenn der Leidensdruck zu groß wird, wehren sie sich. So greift eine von ihrem Ehemann regelmäßig vergewaltigte und körperlich brutalst misshandelte Frau schlussendlich zur Axt, um damit ihren Mann zu erschlagen. Er hat zuvor die neugeborene Tochter getötet, weil er doch einen Sohn hat haben wollen. „a bauernhof braucht einen sohn, hat er gebrüllt“ (S. 68)
Das Leben bzw. Lebensmomente von Männern stehen nur in zwei Geschichten im Mittelpunkt. In der einen geht es um einen sich selbst verleugnenden Aufsteiger, der, obwohl er alle Arbeiten fleißig, ordentlich und speichelleckerisch erledigt, aufgrund seiner einfachen Herkunft bei der Jobvergabe übergangen wird. Der begehrte Posten geht an den Juristenkollegen, der mit der Tochter des Personalchefs liiert ist.
Ein junger Epileptiker steht im Zentrum der anderen Geschichte. Verzweifelt versucht er aus seinem Nischenplatz bei der Lebenshilfe auszubrechen und in den „normalen“ Arbeitsmarkt einzusteigen. Man lehnt ihn ab: „ein paar haben sich geweigert, mit einem behinderten zu arbeiten. du weißt ja selber, wie die leute sind!“ (S. 25)
Auch Korosa weiß, wie „die Leute“ sind, sie kennt – 1955 im Mühlviertel geboren – die ländlichen Lebensläufe, die sie beschreibt. Sie hat es selbst nicht leicht gehabt (alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, Sprung nach Wien, spätes Studium). Im Gegensatz zu den beschriebenen Figuren aber hat sie den Ausbruch geschafft, um nun jenen eine Stimme zu leihen, deren eigene zu leise ist oder die keine mehr haben.
Dass einige der im Buch gesammelten Texte bereits in den 1980er und 90er Jahren erschienen sind, merkt man ihnen an – die sozialen Gegebenheiten haben sich mittlerweile geändert. Sie lassen sich im Hinblick auf Erinnerungsarbeit und Denkmalsetzung aber noch immer lesen.