Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. So gibt etwa der Haymon-Verlag nun nach und nach die „gesammelten“ Stücke Felix Mitterers heraus, und auch Droschl hat sich für eine Werkausgabe einen Gegenwartsautor ausgesucht. Der Grazer Literaturverlag gibt nun seit ein paar Jahren die Texte Reinhard P. Grubers (neu) heraus. Die bekanntesten Romane wie etwa „Im Namen des Vaters“, „Die grüne Madonna“ oder „Aus dem Leben Hödlmosers“ sind bereits erschienen, und nun sind wir auch in den Genuss bisher weniger beachteter Texte gekommen.
Der nunmehr fünfte Band der Edition stellt unter dem etwas irreführenden Titel Heimat ist, wo das Herz weh tut frühe Prosa des Autors zusammen, die zwischen 1969 und 1978 in verschiedenen Anthologien, Literaturzeitschriften und Zeitungen erschienen ist. Erstaunlich ist teilweise auch deren Editionsgeschichte. Dass Reinhard P. Gruber für die „manuskripte“ und „Protokolle“ geschrieben hat, wird wenig verwundern. Etwas verblüffend mag es für manche Leser aber sein, dass einige der Texte (und nicht die schlechtesten!) in der Kronen Zeitung (Graz) erschienen sind.
Interessant ist der Band allerdings vor allem dadurch, dass er einen künstlerischen Werdegang vor Augen führt. Zu Beginn seiner Karriere hatte Gruber noch keineswegs zu seinem späteren unverwechselbaren Stil gefunden, wir werden Zeuge einer Suche nach der adäquaten literarischen Umsetzung seiner auch damals schon oft recht abstrusen und witzigen Gedankengänge und -sprünge.
Die Sammlung ist in jeder Hinsicht vielseitig. Autobiographisches steht neben Betrachtungen zur Literaturszene, skurrilen Abhandlungen, ironischen pseudo-etymologischen Analysen und verfremdeten, zu blutrünstigen Geschichten zusammengesetzten Versatzstücken aus der Märchenwelt. Letztere erscheinen fast wie ein Lehrstück zum Thema: „Durch Verfremdung erkennen wir erst das Wesentliche“, denn Grubers „Märchen“ sind bei aller Härte auch nicht viel grausamer als deren Quellen.
Aber Gruber lehrt uns nicht nur das Gruseln, bei dem wir trotzdem schmunzeln müssen. Seinen bösartigen Ausführungen stehen auch richtige liebevolle Texte gegenüber, etwa jener über Alfred Kolleritsch und eine „Jubelnummer“ der manuskripte zum 15jährigen Jubliäum, die unter (vor allem finanziell) schwierigsten Bedingungen erschienen war. Hier weiht uns der Autor auch in seine nicht von Anfang an mit Erfolg gekrönten Versuche ein, in der Grazer Literaturszene Fuß zu fassen. Dies ist übrigens einer jener Texte, die in der Kronen Zeitung erschienen sind …
In Heimat ist, wo das Herz weh tut gibt es viel zu entdecken. Tatsächlich auch ein bisschen „Heimat“. Zum Beispiel den dritten Wiener Gemeindebezirk als „Dichterbezirk“, in dem immerhin Ingeborg Bachmann und Franz Theodor Csokor gewohnt haben. Oder auch ein wenig österreichischen Nationalsport: das Schifahren – das Gruber allerdings nicht unbedingt landläufig definiert, und das ihn zu allerhand Wortbedeutungsspielchen anregt, die alles andere als „gesellschaftsfähig“ sind (siehe Leseprobe).
Die literarische Qualität der Texte ist naturgemäß unterschiedlich. Hier jedoch Kritik anzusetzen wäre unfair. Der Autor hat uns in den letzten Jahren ohnehin bewiesen, dass er über seine Anfänge hinausgewachsen ist. Vielmehr lohnt es sich, dem sprachlichen Witz und der typisch Gruberschen Skurillität nachzuspüren, die wir aus seinen späteren Romanen kennen, und die in Ansätzen bereits in den frühen Kurztexten zu finden sind. Und diese sind nun bequem für alle zugänglich, auch für jene, die nicht so gerne in Archiven stöbern.