Bei Heisse Hunde handelt es sich um keinen Krimi, obwohl in den vielen kleinen Geschichten, die Lanthaler darin erzählt, auch sein erfolgreicher Serienheld Tschenett kurz auftritt. Und zwar in einem Theaterstück, das dem Sammelband seinen Namen gegeben hat: „Heisse Hunde, Hot Dogs“. Jene wilden Hunde oder armen Würstchen – je nachdem, meist beides gleichzeitig – sind einige Arbeitslose, die sich täglich bei einem ziemlich heruntergekommenen Autobahnimbiß treffen, dort mit dem von seiner Zukunft in der Karibik träumenden Besitzer quatschen und trinken und schließlich auf ein windiges Geschäft einsteigen. Der großspurige Erfolgstyp Tempo möchte einen weiteren Imbiß finanzieren, und Scheck, ein arbeitsloser Lehrer, soll ihn leiten. Fiss will von all den Geschäften und Beziehungen am liebsten nichts wissen. Tschonnie Tschenett schaut kurz auf ein Bier vorbei. Und am Ende, nach vielen Dosenbieren, großen Hoffnungen und kleinen Verzweiflungen, wird Tempo als Betrüger entlarft und erhängt sich. Alle anderen beginnen, wo sie aufgehört haben: im vertrauten Alltag.
Lanthaler hat einen genauen und liebevollen Blick für das Unspektakuläre, für kraftvolle und sympathische Losertypen, die es immer wieder schaffen, ihren eigenen Weg zu gehen und sich gesellschaftlichen Zwängen doch irgendwie zu entziehen. Fiss ist so einer, oder auch Franco Marini, der sich mit Gelegenheitsdiebstählen durchschlägt, bis er an den falschen Mann gerät („Frohes neues Jahr“).
In den meisten anderen „Hirnrissige[n] Geschichten“ – so die Sammelbezeichnung der ersten Texte – ist es jedoch gerade das Spektakuläre, das der Autor dann aber unaufgeregt, kühl und distanziert erzählt. Geschichten, die man vom Thema auch in der Lokalzeitung unter „Vermischte Nachrichten“ oder „Seltsame Todesfälle“ finden könnte. Wie etwa nach einer Betriebsfeier der Chef und einige Mitarbeiter ein Karussell finden, es anstellen und aufspringen, aber keiner es mehr abstellen kann. Als nach Stunden jemand kommt, sind zwei der fünf tot, der Rest wahnsinnig.
Lanthaler spürt dem Grauen nach, das mitten im ganz Alltäglichen, in der sicher geordneten Welt lauert, bis hin zu Krankengeschichten, die nicht nur die Risse in den Gehirnen, sondern vor allem auch solche in unserer Welt nachzeichnen. Etwa in der Ortsbeschreibung „Pigenò“: Objektiv, unparteiisch und an Tatsachen orientiert, schreibt der Erzähler die Geschichte eines Mannes nieder, der sich gegen den geplanten Straßenbau in seinem Dorf wehrt, als Krankenbericht. Allerdings schimmern unter diesem scheinbar so objektiven Text deutlich Machtverhältnisse durch. Wer hat den Bericht in Auftrag gegeben, jene, die vom Bauvorhaben profitieren? Und: reagiert der als verrückt Abgestempelte nicht ziemlich vernünftig, indem er versucht, dem Sinn dieses Projekts auf den Grund zu gehen?
Texte, die Fragen offen lassen, sie anregen. Insofern kann man Kurt Lanthalers Geschichten, die neben seiner Arbeit als Krimiautor entstanden sind, auch als im guten Sinn engagierte Literatur verstehen, von jemandem, der ohne erhobenen Zeigefinger auskommt und trotzdem was zu sagen hat.