#Anthologie
#Prosa

Herzwärts

Sylvia Treudl

// Rezension von Sabine E. Selzer

Die Liebe: das wohl älteste Thema der Welt. Und doch eines, von dem die Menschen ganz offensichtlich nie genug bekommen können. Wie viele Texte, Filme, Geschichten, Bilder, Phantasien etc. drehen sich um die Liebe, um Euphorie, Verlust(-angst), Ekstase, Ewigkeit, Endlichkeit, Tod … man möchte meinen, es müßte doch längst alles gesagt sein, aber die Liebe ist eben immer wieder neu und aufregend, erfüllt, unerfüllt. Herz, Schmerz, Kitsch und Tragik mischen sich in die Darstellungen, Glück und Skepsis; wer es nicht besser wüßte, könnte denken, Liebe sei lediglich eine Erfindung der Künstler.

Aber wie steht es nun um den Moment des Verliebens? Wer verliebt sich wann in wen und warum? Und woran merkt man das? Um diesen magischen Augenblick des „falling in love“ kreisen nun in der von Sylvia Treudl herausgegebenen Anthologie Herzwärts. Geschichten zum Verlieben 20 – sehr unterschiedliche – Erzählungen von Autorinnen aus dem deutschsprachigen Raum, etwa Beatrix M. Kramlovsky, Mirjam Müntefering, Jutta Treiber, Petra Nachbaur, Sybil Volks oder Karin Spielhofer.

Es verlieben sich Frauen in Männer, Männer in Frauen, Frauen in Frauen, in Katzen, Wohnungen etc.; sie verlieben sich für eine Nacht, für eine Weile oder fürs Leben, spontan, allmählich, vorsätzlich oder am Ende gar nicht. Schüchtern, dreist, berechnend, romantisch, nüchtern, verkuppelt oder zufällig bahnen sich Beziehungen an, zu Hause oder auf Urlaub.

Die klassische Sommerliebe fehlt ebensowenig wie das langsame Näherkommen zwischen Nachbarn. Und oft spielen die Texte mit der Erwartungshaltung der LeserInnen, um sie durch überraschende, meist witzige Wendungen zu überrumpeln und damit die Geschichten der Sphäre der Klischees zu entziehen, in der sie bereits so fest verwurzelt schienen.

Sylvia Treudl ist eine erfahrene Herausgeberin von Sammelbänden: es erschienen unter ihren Fittichen in den letzen Jahren bereits mehrere Anthologien, zum Thema Seitensprung, Eifersucht oder Weltanschauung aus Katzenperspektive.

Mit den Erzählungen in Herzwärts. Geschichten zum Verlieben versuchen die Autorinnen nicht nur, verschiedene Formen des Verliebens zu erfassen, sondern haben sich selbstredend auch auf die Suche nach der jeweils treffendsten sprachlichen Form begeben, woraus sich ein sehr buntes, vielseitiges Bild ergibt: vom traditionellen Erzählstil bis zu Reflexionen und Assoziationsketten voller Sprachspiele und unkonventioneller Verknüpfungen reicht der Querschnitt der Stile. Es ist sozusagen „für jeden etwas dabei“. Der inneren Zusammenhang der Texte ist gewährleistet durch die Thematik, die sich ja eben am besten durch ein breites Spektrum an Sichtweisen und Handlungsbögen repräsentieren läßt, vielseitig und widersprüchlich wie das Leben.

Mit Herzwärts ist eine abwechslungsreiche Anthologie aus Frauenperspektive gelungen, die wieder einmal beweist, daß gewisse Theme nie langweilig werden, es kommt eben nur darauf an, wie man sich ihnen nähert.

Herzwärts. Geschichten zum Verlieben.
Anthologie.
Wien: Milena, 1999.
241 Seiten, gebunden.
ISBN 3-85286-072-5.

Rezension vom 25.11.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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