Als Schaupieler und Kabarettist ist uns der Autor bekannt, man kennt auch seine Hörspiele sowie Film- und Fernseharbeiten; und nun lernen wir noch einen ganz anderen Otto Grünmandl kennen, einen sensiblen Schriftsteller, der im stillen Kämmerlein – nein, nicht große Worte schwingt – leise seine Gedanken vor sich hinspinnt, mal in Lyrik mal in Prosa ausdrückt. „Hinter den Jahren“ – einen sprechenderen Titel hätte man sich für diese Sammlung schwerlich ausdenken können.
Auch den Themen der meisten Texte wird der Titel gerecht. Vorgänge, die mehr oder weniger im Verborgenen, im Hintergrund ablaufen, das ist, was Grünmandl vorwiegend beschäftigt. Etwas Morbides und eine Aura der Einsamkeit haftet ihnen an. Tod und Vergänglichkeit sind hinter einer dünnen Fassade mal aus gesellschaftlichen Konventionen, mal aus Glück und den Sonnenseiten des Lebens allgegenwärtig. So manches Gedicht erscheint wie ein Versuch, sich mit dem fortschreitenden Prozess des Alterns abzufinden, klingt wie ein Abgesang auf das Leben.
Erst kurz vor seinem Tod hat Grünmandl sich entschieden, seine Gedichte vorzutragen, und auch das nur ein einziges Mal, im Oktober 1999. Diese Veranstaltung war zugleich Otto Grünmandls letzter öffentlicher Auftritt. Dies verleiht den Texten noch zusätzlich Vermächtnischarakter. Die dem Buch beiliegende CD dokumentiert diesen Abend. Grünmandl liest in einem ruhigen, gleichförmigen Rhythmus, fast meditativ, aber mit einer Stimme, die immer kurz davor scheint, sich zu überschlagen. So macht sein Vortrag paradoxerweise einen gleichzeitig gequälten und abgeklärten Eindruck.
Verwandt und aber doch ganz anders die in diesem Band ebenfalls abgedrckten Prosatexte, die zum Teil mit recht hintergründigem Humor den Skurrilitäten des Alltags auf die Schliche kommen. Im Biergarten, im Krankenhaus und in einer Ausstellung werden etwa „Durchdringungen“ versucht und als „Prosastück in drei Monologfragmenten und drei Episoden“ festgehalten. In den „Mutmaßungen“ kommt ein Müllsammler und Dorfphilosoph zu Wort (wobei dahingestellt sei, ob der Autor den real existenten, am Wiener Naschmarkt tätigen „Recycling-Philosophen“ kannte und sich auf ihn bezieht). Grünmandl zeigt in all diesen Texten eine Fähigkeit, ohne die er wohl nicht Kabarettist geworden wäre: mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und Charaktere pointiert zu karikieren.
Künstlerisch sind die Texte auch insofern interessant, als sie – formal relativ inhomogen – sehr oft Experimentcharakter haben und die konsequente Suche nach adäquatem literarischen Ausdruck widerspiegeln, wobei sich Grünmandl bis zum Schluss nicht auf formale Charakteristika „festlegte“, ohne dass gesagt werden könnte, er habe nicht seine individuelle Ausdrucksform gefunden. Aber ebenso wie er wiederholt in seinen Texten fast eine Hymne an den Individualismus fort und fortgeschrieben hat, hat auch jedes einzelne Gedicht oder Prosastück seine spezielle individuelle Ausdrucksform. Und bei all dieser Auseinandersetzung mit Stil und Form liegt nicht zuletzt die Vermutung nahe, der Weg sei das Ziel gewesen.