Um Gewinn und Verlust geht es hier, um den positiven Zuwachs der Aufnahmeländer, und wie gut es den Exilanten doch ging: „The great majority of the émigrés, whether in Britain or the USA, flourished in exile“ (12). Mit dieser einleitenden, die Situation völlig verkennenden Bemerkung wird sofort klar, daß der Verfasser sein Ziel, ein populäres Buch zum Thema Exil zu schreiben, (ohne Anmerkungen und ausführliche Bibliographie), verfehlt und verfehlen muß. Hans-Albert Walter hat bei Arnold Zweig beispielsweise viel treffender den Begriff „von der Erbärmlichkeit des Exils“ geprägt (Anm. 2). Und am Ende widerspricht der Autor sich selbst, wenn von „all had suffered in exile“ bei den Rückkehrern die Rede ist. (210) Erst dann kommt er darauf zu sprechen, wie hoch die Selbstmordrate unter Exilanten war.
Ein populäres Buch hätte einen großen Wert haben können, aber bei diesem wird es deutlich, daß der Verfasser anscheinend so gut wie gar kein deutschsprachiges Quellenmaterial ausgewertet hat, geschweige denn deutschsprachige Sekundärliteratur. Er ignoriert zum großen Teil auch die englischsprachigen (sehr umfangreichen britischen und amerikanischen Arbeiten zu diesem Thema, beispielsweise die Arbeit des Londoner Research Centres for German and Austrian Exile Studies. Überall klaffen Lücken, überall machen sich Sachfehler bemerkbar, die zeigen, daß der Verfasser mit der gesamten Materie nicht vertraut ist: Auf S. 26 ist Carl Ebert Dirigent (niemals!), auf S. 133 der Opernregisseur, der er wirklich war. „The German Bundesverdienstkreuz prize“ (145) – ein Preis?? Alfred Kerrs „Rathenau“-Buch erschien erst 1935, wie konnte es aus ihm ein „immediate target“ der Nationalsozialisten machen, er war schon im Februar 1933 aus Deutschland geflohen. (100), „Helen goes to Troy“ hat Max Reinhardt nicht inszeniert, er hatte angefangen, als er starb, die Inszenierung war von seinem Sohn Gottfried. (60) Kokoschka erhielt keineswegs 1945 die britische Staatsbürgerschaft (70). Es war erst 1947, der Verfasser hätte wissen müssen, daß so schnell nach dem Krieg überhaupt nicht eingebürgert wurde. Und von einer Somerset-Maugham-Figur ist die Rede „It is good to be on your guard against an Englishman who speaks French perfectly“ (214) – hier ironisierte Maugham sich selbst, er, in Paris geboren und erst mit zehn Jahren nach England gekommen, konnte damals kaum Englisch (Anm. 3).
Manche Druckfehler entbehren nicht eines gewissen Charmes, von „Convent“ (!!!) Garden ist durchweg die Rede (137, 139, 140, 141, 142), „Der Nibelungen“ (13), korrekt dann auf Seite 56 „Die Nibelungen“. Wenngleich das Ausmaß der intellektuellen und künstlerischen Verluste für Deutschland angedeutet wird, bringt das Werk kaum neue Erkenntnisse. Daß viele kulturelle Errungenschaften in Großbritannien und den USA in hohem Maße Exilanten zu verdanken waren, ist mittlerweile seit einigen Jahren bekannt!
Anmerkungen:
1. Jean Medawar/David Pyke: Hitler’s Gift. Scientists who fled Nazi Germany. London, 2000.
2. Hans-Albert Walter „Im Anfang war die Tat“. Arnold Zweigs „Beil von Wandsbek“, Roman einer Welt – Welt eines Romans, Frankfurt/Main, 1986. S. 9.
3. Frederic Raphael, Somerset Maugham, London 1989.
S. 5.