Und in Zeiten von Rezession, satt-hoher Dauerarbeitslosigkeit und Reduktion von Sozialleistungen gewinnen Petzolds historisch anmutende Geschichten wieder neue Aktualität, auf jeden Fall führen sie drastisch vor Augen, wie die Gesellschaft ausschauen kann, wenn man nicht auf sie aufpaßt.
Es lohnt sich auf jeden Fall, zwischendurch einen kleinen Schwenk in die zeitlos schwermütig machende Welt der Arbeit(er) zu unternehmen, zumal soeben Alfons Petzolds wichtigste Geschichten in einem ansprechenden Lesebuch erschienen sind.
Im Lesebuch sind vor allem autobiographische Texte aufbereitet, der quälende Zustand in Mietskasernen und Vorstadthöllen, die Eltern im Suff, Tuberkulose, Metallschleifereien, Drehbänke, die eher Arbeiterhände erfassen als Werkstücke, und zwischendrin die trostlosen Liebeslieder mit dem Refrain: „Wir setzten uns beide ganz stille / und traurig ans Lampenlicht, / ich mit den müden Füßen, / sie mit dem alten Gesicht.“ (91)
In den Prosatexten verwendet Petzold eine ausschweifende und um sich schlagende Sprache, es überwiegen die dunklen, schwermütigen Einstellungen – das hat mit dem Thema zu tun und mit den skandalösen Zuständen. Aus heutiger Sicht ist dieser selbstzerstörerische, beinahe blutrünstige Zugang zur Arbeitswelt auf ganz spezielle Weise aufschlußreich, denn beinahe als Kontrastprogramm zu Petzold wird in der heutigen Arbeitswelt alles euphemistisch, proper und belanglos-luzid beschrieben, man lese nur Anforderungsprofile oder Stellenausschreibungen…
Der Herausgeber Ludwig Roman Fleischer hat dem Lesebuch ein diskretes Vorwort gespendet, in dem er Petzold ohne falsches Arbeiterpathos kurz vorstellt. Sein Vorschlag, zum achtzigsten Todestag des Schriftstellers diese etwas in Vergessenheit geratene Literatur (wieder) kennenzulernen, sei dem Leser ans Herz gelegt.